The Revenant | Kritik / Review (Oscars 2016)

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Das Jahr ist gerade mal gut eine Woche alt und wir widmen uns mit The Revenant wohl schon einem sicheren Kandidaten für den ersten Platz in der Kategorie „Strapaziösester Filmdreh des Jahres“. Mit vielen Schlagzeilen wurde schon unabhängig von jeglicher Werbekampagne für genug Gesprächsstoff in der Filmwelt gesorgt. Alejandro G. Iñárritu, der im letzten Jahr 3 Oscars für sein Meisterwerk Birdman gewann, dem einzigen Film, dem ich bislang die Maximalwertung von 5/5 auf dieser Seite gegeben habe, hatte wie auch schon bei seiner letzten Produktion eine ganz besondere Vision für seinen neusten Film.

Iñárritu drehte entgegen der üblichen Praxis alle Szenen in chronologischer Reihenfolge und bestand auf Dreharbeiten ausschließlich an Originalschauplätzen und ohne künstliche Lichtquellen. Die Produktion wurde so zum extremen Kraftakt für alle Beteiligten und führte zu vielen Problemen, internen Auseinandersetzungen bishin zu Mitgliedern der Crew, die unter Protest die Arbeit verließen.

Nachdem der benötigte Schnee in Kanada früher als erwartet abgeschmolzen war und die neunmonatigen Dreharbeiten letztlich in Argentinien beendet werden mussten, verbannte Iñárritu zudem den Produzenten Jim Skotchdopole („Django Unchained“) vom Set – die beiden waren sich immer wieder in die Haare geraten. Ob sich all die Strapazen und der Stress am Ende auszahlen, könnt ihr in meinem Fazit erfahren.

Storyanriss:

In den 1820ern zieht der legendäre Trapper Hugh Glass (Leonardo DiCaprio) durch die Weiten der USA, wo er mit einer von Captain Andrew Henry (Domhnall Gleeson) angeführten Expedition dabei ist, den Missouri River zu erforschen. Am Fluss hat er einen unachtsamen Moment – den ein Grizzly ausnutzt, ihn übel zuzurichten. Glass schwebt in Lebensgefahr. Seine Begleiter, unter ihnen der raubeinige John Fitzgerald (Tom Hardy) und der junge Jim Bridger (Will Poulter), glauben nicht, dass er den Vorfall überleben wird und als sie dann Ureinwohner in der Nähe ihres Lagers erspähen, fackeln sie nicht lange. Sie nehmen dem Schwerverwundeten Gewehr, Messer und seine weitere Ausrüstung ab und überlassen ihn sich selbst. Aber überraschend überlebt Glass doch – und schwört allen Begleitern Rache, die ihn zurückgelassen haben. Auf der Suche nach ihnen schleppt sich der verletzte Abenteurer durch die eisige Bergwelt

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Ich habe keine Angst mehr zu sterben, ich bin schon tot.

Fazit:

Die exzellente Bebilderung durch den zweifachen Oscar-Gewinner und Kameramann Emmanuel Lubezki (Birdman und Gravity) schafft eine intensive Atmosphäre, die den Zuschauer für 2,5h vollkommen in Beschlag nimmt. Lubezki ist also auf einem guten Weg zum dritten Oscar in Folge. Ich bin mir nur nicht so sicher, ob sich der Aufwand und die Strapazen des Drehs so gelohnt haben und überhaupt vom Zuschauer wahrgenommen werden. Ohnehin werden vermutlich 80% der Kinobesucher nicht mal wissen, wie der Film gedreht wurde und ich für meinen Teil kann ohne Vergleichsszenen mit künstlicher Beleuchtung kaum einschätzen, ob das nette Gimmick wirklich einen so großen Mehrwert bringt – ich vermute eher nicht. Dennoch habe ich großen Respekt vor allen Beteiligten und finde es lobenswert, wenn Regisseure ihre eigene Vision haben und nicht nur Fließbandarbeit ableisten wollen.

Was mir auch positiv aufgefallen ist, sind die guten Effekte und das tolle Make-Up, das vor allem bei der expliziten Darstellung sämtlicher Wunden im Film zur Geltung kommt. Achja, ein Film für Vegetarier ist The Revenant übrigens auch nicht bei all dem rohen Fleisch und toten Tieren. Iñárritu schafft es wieder paar großartige Szenen wie beispielsweise das Aufeinandertreffen mit dem Bären oder die Plansequenzen am Anfang in das Gedächtnis der Zuschauer einzuprägen – der Rest war manchmal leider hin und wieder ein wenig langatmig oder dünn an Story.

Schauspielerisch kann man allen Darstellern keinen Vorwurf machen und wie schon in aller Munde schielt Herr DiCaprio bereits mit einem Auge auf den Oscar. Ich denke die Chancen stehen gut für eine Nominierung und eventuell auch den Sieg, nur muss ich ehrlich sagen, dass ich damit nicht ganz zufrieden wäre. Zum einen hätte er schon längst einen Oscar für seine deutlich ikonischeren Rollen bekommen sollen und zudem holt mich eine Performance wie bei The Revenant nicht vollends ab. Das war schon bei Reese Witherspoon und Wild im letzten Jahr so. Im Prinzip krabbelt er den halben Film nur und spricht kaum irgendwas. Da habe ich letztlich dann doch eher Auftritte wie ich sie in Birdman von jedem einzelnen Schauspieler dort bekommen habe – dialoggetrieben, facettenreich und emotional. Auch Mel Gibsons Apocalypto hat mich in diesem Punkt besser abgeholt. Es ist halt eine sehr körperliche Darstellung und Leo verdient definitiv Respekt, aber den Oscar in diesem Jahr eher nicht – zumindest wenn es so starke Konkurrenz wie Michael Fassbender auf den Oscars geben sollte.

Abschließendes Fazit: The Revenant ist ein gelungener Film mit fesselnder Atmosphäre, wuchtigen Bildern und tollen Darstellern – doch wenn es um den Wiederschauwert geht, würde ich lieber mir ein weiteres Mal Birdman anschauen, als ein zweites Mal The Revenant.

bewertungsskalafinal3,5

 

Brooklyn | Kritik / Review (Oscars 2016)

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Heute wird es romantisch und wir gehen zurück in die 50er. Den Regieposten für Brooklyn übernahm hierfür John Crowley (Boy A) und das Screenplay wurde von dem berühmten und erfolgreichen Nick Hornby beigesteuert, der sich als Schriftsteller mit Werken wie High Fidelity und dem Screenplay zu Wild und An Education einen Namen machte und bereits an Oscar-Filmen mitwirkte.

In der Hauptrolle sehen wir die in der Bronx geborene junge Schauspielerin mit dem unaussprechlichen Namen mit irischen Eltern – Saoirse Ronan. Ronan war bereits 2008 im Alter von knapp 16 Jahren für einen Oscar auf Grund ihrer Leistung in Abbitte nominiert.

Storyanriss:

Die junge Irin Eilis (Saoirse Ronan) lässt in den frühen 1950er Jahren Heimat und Familie hinter sich, um in New York die Chance auf ein besseres Leben zu ergreifen. In Brooklyn findet sie eine Anstellung in einem Modegeschäft und lernt auf einem irischen Tanzfest den italienischstämmigen Amerikaner Tony (Emory Cohen) kennen, der ihr hilft, sich in der Großstadt einzuleben. Zwischen den beiden entwickelt sich trotz der Vorbehalte von Tonys Familie eine intensive Liebesbeziehung, die aber zunehmend von Eilis‘ starkem Heimweh und der Sehnsucht nach ihrer Familie überschattet wird. Eine Familientragödie zwingt die junge Frau schließlich dazu, nach Irland zurückzukehren. In Irland findet sie schon bald bei alten und neuen Freunden Trost – insbesondere beim charmanten Jim (Domhnall Gleeson). So sieht sich Eilis schließlich nicht nur vor die Wahl zwischen zwei Männern, sondern auch zwischen zwei Ländern gestellt.

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Ich wünschte nur, dass ich nicht mehr ein irisches Mädchen in Irland sein will.

Fazit:

Brooklyn hat mehr oder weniger zwei große rote Fäden die sich durch den gesamten Film ziehen. Auf der einen Seite handelt er vom Aufbruch in neue Welten und von der Suche nach Orientierung und einer besseren Zukunft. Und auch wenn für die junge, unerfahrene Eilis natürlich eine große räumliche Distanz zwischen Irland und Brooklyn besteht, ist es letztlich der daraus resultierende Seelenschmerz, der ihr so zu schaffen macht. Auf der anderen Seite entwickelt sich eine natürlich Liebesgeschichte, die Eilis langsam das Fernweh nimmt. Für mich haben hier beide Aspekte funktioniert. Die Lovestory war nicht übertrieben kitschig, kam natürlich rüber und Saoirse Ronan und Emory Cohen haben eine süße Chemie miteinander.

Auch wenn Saoirse Ronan natürlich die Hauptrolle ist und heraussticht, war ich mit allen Beteiligten sehr zufrieden; mir gefiel vor allem, dass auch die Nebenfiguren sehr stimmig und überzeugend waren und nicht nur zur totalen Belanglosigkeit verdonnert wurden. Beispielsweise die Vermieterin Miss Kehoe, die den Typ der herzensguten Schreckschraube mit einer entwaffnender Ehrlichkeit verkörpert und sehr viel Witz reinbringt – was vor allem immer dann passiert, wenn sie mit den jungen Damen gemeinsam am Tisch sitzt und die Gespräche richtig in Fahrt kommen – tolle Momente im Film. Einzig die Rolle der Miss Kelly fand ich ein wenig unnötig und konstruiert um hier und da die Geschichte voranzubringen.

Darüber hinaus gab es paar Szenen, wie beispielsweise die Weihnachtsfeier in der Suppenküche oder Eilis‘ „Spaghettiübungen“, die ich als sehr gelungen empfand. Wirklich viel kann ich Brooklyn nicht vorwerfen, weil ich fnde, dass er vor allem in diesem Genre des romantischen Dramas sehr gut funktioniert. Wenn ich doch was nennen sollte, wäre es vielleicht, dass man eventuell ein wenig zu sehr die Probleme der Iren, die erst durch die Unzufriedenheit mit dem Leben in Irland einen Neuanfang in Amerika gewagt haben und dort in den 50er Jahren in eine Art Depression verfielen und am Rande der Gesellschaft lebten, beleuchtet hat und somit die Gesamtsituation ein wenig verklärt. Man muss jetzt aber auch nicht aus einer Mücke einen Elefanten machen denk ich.

Abschließend bleibt mir zu sagen: die Regiearbeit von John Crowley war super, das 50er Setting mitsamt Kulissen und Kostümen war sehr schön, die Schauspieler waren richtig gut und die Geschichte, die uns Autor Nick Hornby hier wieder liefert ist wie bei An Education und Der große Trip – Wild eine feinfühlig erzählte Selbstfindungs-geschichte über junge Frauen.

bewertungsskalafinal4,0