Kurzkritiken Round-Up KW 47/48 2017

Paddington 2

Storyanriss:

Er trägt Schlapphut, Dufflecoat und ist ziemlich behaart: Der liebenswerte Bär Paddington (Stimme im Original: Ben Whishaw / deutsche Stimme: Elyas M’Barek) hat bei Mr. und Mrs. Brown (Hugh Bonneville, Sally Hawkins) sowie deren Kindern Judy (Madeleine Harris) und Jonathan (Samuel Joslin) ein Zuhause gefunden und sich mittlerweile auch in der Nachbarschaft durch seine höfliche, zuvorkommende und immer fröhliche Art zum beliebten Mitglied gemausert. Als der 100. Geburtstag von Tante Lucy (Imelda Staunton) vor der Tür steht, sucht Paddington nach einem passenden Geschenk. Im Antiquitäten-Laden von Mr. Gruber (Jim Broadbent) findet er ein einzigartiges Pop-up-Bilderbuch, von dem er sofort angetan ist. Doch um sich das leisten zu können, muss der tollpatschige Bär ein paar Nebenjobs antreten, bei denen das Chaos nicht lange auf sich warten lässt. Und zu allem Überfluss wird auch noch das Buch geklaut! Paddington und die Browns heften sich an die Fersen des Diebes Phoenix Buchanan (Hugh Grant).

Fazit:

Ich habe vorab ehrlich gesagt nicht wirklich an Paddington 2 geglaubt, aber muss diesen voreiligen Schluss revidieren, denn letztlich hat er mir dann doch echt gut gefallen und sogar besser als der Vorgänger. Regisseur Paul King und sein Team beweisen einmal mehr ihr Gespür und guten Blick für’s Visuell. Sehr positiv sind mir hier die tollen Übergänge und sehr phantasievollen Zeitraffersequenzen aufgefallen. Gleich zu Beginn zeigt man den Ideenreichtum mit der coolen Idee, das Pop-Up-Buch, welches im im weiteren Verlauf der Geschichte eine wichtige Rolle spielt, zum Leben zu erwecken und unsere Protagonisten in dieser Welt aus Pappwänden agieren zu lassen. Auch später im Gefängnis gibt es eine sehr interessante Idee, den Gefängnisausbruch anhand eines Puppenhauses darzustellen, welches unsere Akteure in 2D zeigt.

Darüber hinaus – wie schon im ersten Teil – ist Paddington einfach eine süße Figur, der man nicht böse sein kann so ungeschickt sie sich auch manchmal anstellt und anderen auf den Schlips tritt. Viele liebevolle Szenen. Zu dem alten Cast rund um die tolle Sally Hawkins und Hugh Bonneville, kehrte auch Elyas M’Barek als deutsche Stimme für Paddington zurück. Zusätzlich hat man natürlich auch neue Leute in diesem Film gehabt. Unter anderem Noah Taylor, der dieses Jahr so grandios Hitler in der zweiten Staffel von Preacher verkörperte, so dass er einem sogar fast sympathisch werden konnte. Wow, dass ich das mal sagen würde, hätte ich nie erwartet. Noch größere Rollen haben Brendan Gleeson und Hugh Grant. Gleeson als kautziger Gefängniskoch mit harter Schale aber weichem Kern war sehr gut in dieser witzigen Rolle und natürlich Hugh Grant, der im zweiten Teil Nicole Kidman als Bösewicht beerbte und mir auch deutlich besser gefiel. Natürlich ist der Charakter auch wieder ein wenig drüber aber letztlich irgendwie charmanter und herrlich selbstironisch.

Alles in allem war Paddington 2 ein sehr schöner Familienfilm für die Weihnachtszeit mit dem man nicht viel verkehrt machen kann.

Battle of the Sexes – Gegen jede Regel

Storyanriss:

1973 befindet sich die Profi-Tennisspielerin Billie Jean King (Emma Stone) als Weltranglistenerste auf dem vorläufigen Höhepunkt ihrer Karriere. Doch die vielen Turniersiege und der Ruhm sind nicht alles für sie, denn King, die weit mehr als nur Freundschaft für ihre Vertraute Marilyn Barnett (Andrea Riseborough) empfindet, setzt sich außerdem mit Vehemenz für die Gleichberechtigung von Frauen ein. Bobby Riggs (Steve Carell) hingegen hat seine besten Jahre schon lange hinter sich und außerdem mit seiner Spielsucht zu kämpfen. Der ehemalige Champion möchte es noch einmal wissen und den Ruhm alter Tage wieder aufleben lassen. Dazu ist er sogar bereit, seine ganze Reputation aufs Spiel zu setzen. In der Öffentlichkeit vertritt er bezüglich der Geschlechterdebatte die entgegensetzte Meinung zu der von King und so kommt es zum unvermeidlichen Zusammenprall in einem Tennismatch der Geschlechter, das als „Battle Of The Sexes“ in die Geschichte eingehen soll.

Fazit:

Mit Emma Stone und Steve Carrell hat man zwei passende Darsteller für die Hauptrollen gefunden. Oscarpreisträgerin Stone wirkt mit ihrer zurückhaltenden und sensiblen Art gut zu Bille Jean King und Steve Carrell darf einmal mehr zeigen, dass er auch im „ernsten Schauspiel“ überzeugen kann, auch wenn seine Figur natürlich hauptsächlich skurril-witzig angelegt ist. Die Geschichte ist gut und nicht nur durch die entflammte Debatte auch sehr aktuell. Die schmierigen und chauvinistischen Aussagen waren schon teilweise sehr hart an der Grenze zur Unerträglichkeit.

Was ich an der Geschichte cool fand, war der Fakt, dass hier im Prinzip ein Tennismatch zwischen zwei Tennislegenden ausgetragen wird, aber im Endeffekt keiner der beiden Teilnehmer das Ganze für das Duell an sich macht. Bobby Riggs spielt mit dem chauvinistischen Image, weil er das große Geld und den Eventcharakter nutzen will und auch Billie Jean geht es nicht darum, zu beweisen, dass Frauen besser als Männer im Tennis sind, sondern sie kämpft für eine faire Gleichstellung beider Geschlechter. Wenn Frauen es schaffen die gleiche Anzahl an Tickets zu verkaufen wie die Männer, warum sollten sie nur einen Bruchteil der Gewinnsummen verdienen, ist nur eine Frage die der Film und Billie Jean aufwerfen.

Auch wenn beide Tennisfilme nicht wirklich inhaltlich zu vergleichen sind, gefiel mir Battle of the Sexes besser als Borg McEnroe, so wirklich was auszusetzen habe ich an Battle of the Sexes auch nichts außer die Qualität der Tennis-Szenen, die recht langweilig und ohne Spannung inszeniert waren. Sicherlich wird das aber einfach mit der Ära zu tun haben, die der Film beleuchtet. Wie bei jedem Sport üblich, entwickelte sich natürlich auch Tennis über die Jahre weiter und ist 2017 hundertmal athletischer und schneller als Ende der 60er, wo die im Film gezeigten Bilder des Jahrhundertspiels wirkten wie Warm-up und Trainingssessions im Jahr 2017.

 

Detroit

Storyanriss:

Detroit, 1967: Die schwarze Bevölkerung leidet bereits seit vielen Jahren unter Diskriminierung und sozialer Ungerechtigkeit. An einem hitzigen Sommertag eskaliert der Konflikt schließlich und Straßenschlachten brechen aus – ganze fünf Tage halten die Unruhen an, bei denen Soldaten als Unterstützung der Sicherheitskräfte in die Stadt einrücken. Mitten in diesem unübersichtlichen Geschehen werden eines Abends Schüsse aus dem überwiegend von Schwarzen bewohnten Algiers Motel gemeldet, das daraufhin von Polizei und Militär gestürmt wird. Ein Gast stirbt dabei und die folgenden Ermittlungen eskalieren schnell, als die Polizisten unter Führung des Streifencops Philip Krauss (Will Poulter) beginnen, die Gäste, darunter Sänger Larry (Algee Smith), dessen bester Freund Fred (Jacob Latimore) und Wachmann Melvin Dismukes (John Boyega), in Verhören mit brutalen Mitteln unter Druck zu setzen.

Fazit:

Kathryn Bigelow ist eine der größten und erfolgreichsten Regisseurinnen der Welt. Im Jahr 2008 stach sie ihren Exmann James Cameron bei den Oscars im direkten Duell mit The Hurt Locker gegen Avatar aus und gewann den Preis für den Besten Film des Jahres. Aber auch darüber hinaus hat sie mit Near Dark, Zero Dark Thirty und Gefährliche Brandung  den ein oder anderen Kultklassiker zur Leinwand gebracht. Dementsprechend landete auch ihr neustes Projekt Detroit selbstverständlich sofort auf meinem Radar. Die Erwartungen waren hoch, der Cast versprach viel Talent und der Trailer konnte mit seiner sehr beklemmenden Atmosphäre definitiv überzeugen. Mit dem finalen Ergebnis tue ich mich ehrlich gesagt aber schwer.

Genauer gesagt war ich ganz schön enttäuscht. Erstmal war Detroit mit 2,5 h bestimmt 20-30 Minuten zu lang, was ich nicht nur bei mir sondern auch an den Reaktionen des Publikums spürte. Diese überschüssige Zeit steckte Bigelow vor allem in den Beginn und das Ende des Films, um den Charakteren, die es so ja wirklich in diesen wahren Begebenheiten gegeben hat, mehr Background zu geben und uns als Zuschauer emotional zu binden für die dramatischen Momente, die noch folgen sollten. Leider hat das für mich null funktioniert, ehrlich gesagt – auf die Gefahr hin, mich komplett in die Nesseln zu setzen – sogar eher noch Gegenteiliges. Das Hauptaugenmerk lag auf einem Gesangstalent, was wohl zu dieser damaligen Zeit auf dem Weg zu einem Plattenvertrag war und durch die Aufstände in Detroit ausgebremst wurde. Ständig fing der Dude an komplett theatralisch und nervig zu singen, was mich halt gar nicht berührt hat.

Genauso schaffte es Detroit für mich nicht, die Motivation hinter den Riots so näher zu bringen, dass ich ein richtiges Verständnis dafür entwickeln konnte. Ja klar, der Rassismus der Weißen und die Polizeigewalt waren der Grund, aber im Film fragte ich mich die erste halbe Stunde eigentlich permanent „was zum Teufel machen die Afroamerikaner da eigentlich gerade? Was soll das bringen?“. Der Film zeigt zu Beginn wie die Polizei eine Party von Schwarzen willkürlich auflöst, woraufhin diese anfangen sich gegen das System aufzulehnen und ihre eigenen, denn damals zogen die Weißen in die Vororte Detroits und die Afroamerikaner bekamen Viertel in der Stadtmitte zugeordnet, Häuser, Autos, Geschäfte und Straßen zu zerstören. Sie zerstörten im Prinzip das Eigentum und die Leben ihrer eigenen Community, plünderten und riefen die Anarchie in Detroit aus. Ich konnte dieser Logik nicht folgen, fühlte mich nicht selten an die G20 Ausschreitungen in Hamburg erinnert, wo die Linksextremisten ihre Wut auf die Politik und Politiker als Vorwand nutzten um Unschuldige und Unbeteiligte zu bestrafen in dem sie deren hart erarbeitetes Eigentum zerstörten und die Stadt in den Ausnahmezustand versetzten. Im Anschluss ging es aber gleich weiter: der Grund warum es dann zu dem Kern der Geschichte kommt, also den Ereignissen im Hotel, ist nämlich, weil ein Afroamerikaner auf die super geniale Idee kommt in dieser eh kaum angespannten Lage mit einer Schreckschusspistole von seinem Fenster aus auf Polizei und Armee zu schießen, woraufhin diese nach Heckenschutz in dem Hotel sucht. Richtig Verständnis hatte ich für das alles nicht und der Film hatte mich zu diesem Zeitpunkt schon fast verloren.

Die komplette Verhörszene im Hotel traf dann aber wieder einen Nerv bei mir, war erschreckend, beängstigend und natürlich absolut widerwärtig. Poulter stach hier schauspielerisch besonders raus. Bei The Revenant war er schon richtig gut aber dass er nach einer Dulli-Rolle in Wir sind die Millers hier als knallharter, rassistischer Cop so abliefern würde, ist beeindruckend. Von ihm wird man noch viele gute Filme sehen. Nachdem die Situation im Hotel aufgelöst ist, verfällt der Film wieder in die Langeweile zurück. Ich weiß nicht, Detroit hat ein schreckliches Kapitel der amerikanischen Geschichte erzählt und für sowas ist Kathryn Bigelow normalerweise die richtige Person, doch mich konnte Detroit weder auf einem emotionalen noch unterhaltungsmäßigen Level abholen.

Aus dem Nichts

Storyanriss:

Katja (Diane Kruger) verliert ihren Mann Nuri (Numan Acar) und ihren Sohn Rocco (Rafael Santana) bei einem Bombenanschlag. Sie ist tief erschüttert. Es gibt niemanden, der ihre Trauer lindern kann – ihren Schmerz betäubt sie mit Drogen. Katja denkt daran, sich umzubringen. Als die Polizei das Neonazi-Paar Edda (Hanna Hilsdorf) und André Möller (Ulrich Friedrich Brandhoff) verhaftet, weil ein entscheidender Hinweis von Andrés Vater (Ulrich Tukur) einging, schöpft Katja Hoffnung. Der Prozess, bei dem sie von Nuris bestem Freund Danilo Fava (Denis Moschitto) anwaltlich vertreten wird, ist anstrengend, doch die Aussicht auf eine Verurteilung der Täter gibt Katja Kraft.

Fazit:

Mit Aus dem Nichts startet unser deutscher Oscarbeitrag in den Kinos. Regisseur Fatih Akin hat sich mit Filmen wie Gegen die Wand und Soul Kitchen zu einem der besten deutschen Regisseuren gemausert. Auch mit seinem neusten Film der lose von den NSU Morden „inspiriert“ ist, konnte er neben der Wahl zum deutschen Oscarbeitrag auch schon andere Auszeichnungen gewinnen. Die größte Ehrung wurde Hauptdarstellerin Diane Kruger zuteil, die in Cannes den Award für die beste schauspielerische Leistung bekommen hat.

Der Film wird in den drei Kapiteln „Familie“, „Gerechtigkeit“ und „Meer“ erzählt, die sich nicht nur inhaltlich stark unterscheiden, sondern auch tonal. Im ersten Kapitel überwiegen vor allem die Emotionen, die in einigen stark inszenierten Szenen eindrucksvoll zur Geltung kommen, beispielsweise im Auffanglager als Diane Krugers Charakter Katja die Todesmeldung bekommt und innerlich völlig zerrissen auf den Boden sackt, die Musik aussetzt und man ihr minutenlang bei ihrem emotionalen Zusammenbruch zuschaut. Diane Kruger war wirklich durchweg sehr gut in diesem Film. In diesem Teil geht es auch viel um die Polizeiarbeit, die Trauerbewältigung der Familie und Freunde. Gut gefiel mir hier auch ein Moment wo Diane Kruger ihre sehr fürsorgliche und hochschwangere beste Freundin wegschickt, weil sie es einfach nicht ertragen kann, nachdem sie ihre eigene Familie verlor.

Das zweite Kapitel beschäftigt sich dann mit dem Prozess und für mich als Zuschauer waren einige Szenen genauso unerträglich wie es für Katja sein musste, das kam echt gut rüber. Auf das dritte Kapitel gehe ich jetzt nicht näher ein, kann aber sagen, dass es mir nicht so wirklich gefallen hat. Der Ansatz war in Ordnung, Ich hätte mir nur eine etwas andere, straffere Inszenierung gewünscht. Alles in allem war Aus dem Nichts ein guter Film, der hauptsächlich von seiner tollen Hauptdarstellerin und den emotionalen Momenten lebt, aber für mich weder so außergewöhnlich noch so gut ist wie unser Oscarbeitrag Toni Erdmann in letzten Jahr. Selbst der hatte trotz krassem Buzz und einem sehr erfolgreichen Jahr am Ende knapp das Nachsehen, ist aber immerhin in die Top 5 Auswahl der Academy Awards gekommen, bei Aus dem Nichts halte ich eine Wiederholung des Erfolgs ohne die diesjährige Konkurrenz zu kennen für eher unwahrscheinlich.

Whatever Happens

Storyanriss:

Vor sieben Jahren wurden Julian (Fahri Yardım) und Hannah (Sylvia Hoeks) nach einer gemeinsamen Wohnungsbesichtigung zu Mitbewohnern und kurze Zeit später auch zu einem Paar. Doch ihre unterschiedlichen Lebensentwürfe und persönlichen Vorstellungen sorgen nach und nach dafür, dass die Beziehung irgendwann in die Brüche geht. Nun haben die ambitionierte Juristin und der entspannte Fotograf gerade die Trennung beschlossen und wollen fortan eigene Wege gehen. Dafür muss aber erst einmal die ehemalige gemeinsame Wohnung aufgelöst und weitervermietet werden. Die Ex-Partner treffen sich noch einmal, um das Nötige zu regeln, doch haben nicht damit gerechnet, welche Pläne das Schicksal mit ihnen hat: Ausgerechnet am Silvesterabend sitzen Julian und Hannah gemeinsam in ihrer ehemaligen Wohnung fest, weil die Übergabe geplatzt ist.

Fazit:

Whatever Happens ist weniger eine Rom-Com als ein klassisches Drama, das im Prinzip glaubwürdig eine normale Beziehung beschreibt mit ihren Höhen und Tiefen. Die Prämisse hierbei am Ende der Beziehung, sprich der Trennung anzufangen, die als Ausgangspunkt und Rahmenhandlung fungiert, empfand ich als sehr gelungen. Das Drehbuch war gut geschrieben und durch die beiden Hauptdarsteller Fahri Yardim und Sylvia Hoeks toll gespielt. Gerade Sylvia Hoeks war einer der ausschlaggebenden Gründe mir Whatever Happens anzuschauen, obwohl ich ihn sonst vielleicht unter normalen Umständen ignoriert hätte, denn erst vor wenigen Monaten hatte sie mit einem der besten Filme des Jahres, Blade Runner 2049, ihren Durchbruch und ist mit ihrer grandiosen Leistung auf meinem Radar aufgetaucht. Umso erstaunter war ich dann, dass sich die holländische Schauspielerin jetzt in dieser deutschen Produktion wiederfindet.

Die größten Stärken des Films liegen im Realismus und vor allem den kleinen Momenten, die die Abnutzungserscheinungen der Beziehung zeigen, wenn der Alltag einsetzt und beide Partner eigentlich sehr unterschiedliche Pläne für ihre Leben hatten. Ein Moment der mir besonders im Gedächtnis geblieben ist, war als Sylvia Hoeks Charakter Hannah endlich mehr Zeit für ihre Tochter aufbringen will und merkt, dass diese gar keine richtige Bindung zu ihrer Mutter empfindet und sie auch gar nicht zu brauchen scheint. In dieser Szene sitzt Hannah am Küchentisch, während Julian mit der gemeinsamen Tochter den Raum und die Kamera verlässt und ihr hilft. Man hört im Hintergrund noch wie gut sich Vater und Tochter verstehen und wie eng ihre Bindung ist, währenddessen Hannah am Tisch sitzend realisiert und resigniert sich einem Heulkrampf hingibt.

Whatever Happens ist ein realistisches Liebesdrama mit glaubwürdigen Hauptdarstellern und für mich ein weiterer, guter deutscher Film in diesem Jahr.

Girls Trip

Storyanriss:

Fünf lange Jahre ist es her, dass die vier eigentlich besten Freundinnen Ryan (Regina Hall), Sasha (Queen Latifah), Lisa (Jada Pinkett Smith) und Dina (Tiffany Haddish) zum letzten Mal zusammen feiern waren, zu viel hatten sie in der Zwischenzeit mit Beruf, Familiengründung und diversen Beziehungen zu tun. Doch nun steht das große Wiedersehen an, denn die selbsternannte „Flossy Posse“ reist gemeinsam zum legendären Essence Festival in New Orleans. Und eines steht für die vier ehemaligen Partyköniginnen fest: Sie wollen die wilden College-Tage wiederaufleben lassen! Doch während sie ein spektakuläres Dance-Off veranstalten, mit heißen Typen flirten und vielleicht ein klein wenig zu tief ins Glas schauen, merken die vier vor allem eines: Am meisten Verlass ist noch immer auf die besten Freundinnen.

Fazit:

Mit einigen Monaten Verzögerung schafft es die Hitkomödie des Jahres Girls Trip auch zu uns nach Deutschland. Mit mehr als 140 Millionen war der Film nicht nur finanziell erfolgreich, sondern kommt mit einem Rotten Tomatoes Score von 89% und einer IMDb Wertung von 6,4 bei Kritikern und Publikum sehr gut weg für eine Komödie. Diesen Erfolg hatte sich sicherlich auch Girls Night Out mit Scarlett Johansson im Sommer gewünscht, der so zu 80% das gleiche Storykonstrukt wie Girls Trip nutzte, aber in jeglicher Hinsicht schlechter war.

Während der Scarlett Johansson Film im Prinzip sehr handzahm war, hat Girls Trip definitiv kein Blatt vor den Mund genommen. Es ist zwar ein wenig gewöhnungsbedürftig, wenn ein Saal voll mit 100 Weissbroten im 2 Minutentakt über eine Comedy gröhlt, die nicht nur von Schwarzen gemacht wurde, sondern auch auf ein in erster Linie schwarzes Publikum abzielt, aber es war dennoch ein sehr lustiger Abend. Das Publikum bestand zu 95% aus Frauen, die nach wenigen Minuten hemmungslos anfingen zu saufen und eine Menge Spaß zu haben schienen. Girls Trip war sehr witzig auch wenn man sich erst ein wenig daran gewöhnen musste, in einer deutschen Synchronisation in jedem zweiten Satz „Pussy“, „Nigga“, „Bitch“ und „Schwanz“ zu hören und die Komödie war dementsprechend vor allem hart und dreckig. Spätestens bei einer 1-zu-1 Übersetzung von chick und cock zu „ein Hühnchen findet ihren Hahn“, wird einem bewusst, dass der Film natürlich auf seiner Originalsprache besser funktioniert – auch wenn es nicht immer so schlecht war.

Die Geschichte war jetzt nichts Besonderes und ein typisches Vehicle für diese Art Film. Wie gesagt: schon selbst in diesem Jahr wurde sie so ein weiteres Mal so verfilmt. Vier beste Freundinnen verloren sich mit der Zeit aus den Augen um ihr eigenes Leben zu führen und kommen dann an einem Wochenende wieder zusammen, um zu feiern und natürlich auch ihre nicht so perfekten Leben mit Hilfe ihrer Freundinnen zu retten. Also auch hier gab es zwischen dem Humorfeuerwerk immer Mal wieder ruhige Momente, um vor allem die Rahmenhandlung rund um Regina Halls Charakter zu erzählen, auch die letzten 15 Minuten sind nahezu ausschließlich dieser Geschichte gewidmet, was zwar prinzipiell okay ist, aber auch gigantisch das zackige Tempo ausbremst, das Girls Trip bis dato hatte. Diese Szenen hätte man vielleicht ein wenig kürzer und knackiger halten können, um die Zuschauer auf einer eher lustigen Note aus dem Saal zu lassen, aber letztlich war es auch in dieser Form kein Reinfall.

Der Humor ist nicht nur derbe, sondern zum Großteil natürlich auch vulgär. Wer sich absolut nicht auf diese Art Humor einlassen kann und nur auf witty, smarten Witz steht, der sollte diesen Film meiden. Aber glaubt mir, hin und wieder kann man auch einen Film wie Girls Trip vertragen. Jetzt habe ich viel über Humor geredet, doch was wäre eine gute Dialogzeile ohne die richtigen Personen, die diese rüberbringen könnten? Vermutlich nur ein paar Worte auf einem Blatt Papier. Der Cast des Films war super; Regina Hall kennt man bereits aus ähnlichen Filmen wie Denk wie ein Mann oder Scary Movie und ist ein solides Fundament für diese Komödie, Jada Pinkett Smith und Queen Latifah waren super Ergänzungen, aber diese gute Mischung rundet die Vierte im Bunde ab: Neuentdeckung Tiffany Haddish, die ein echter Scenestealer ist und die witzigsten Momente im Film hat.

Bei ihrer Leistung und dem Erfolg von Girls Trip insgesamt bekomme ich einen Brautalarm-Vibe, der 2011 ähnliche Knöpfe drückte und sogar eine Oscar-Nominierung für Melissa McCarthy abwarf, obwohl Komödien in der Regel wenig bedacht werden bei den Academy Awards. Ich könnte mir vorstellen, dass Tiffany Haddish dieses Jahr in der Award-Saison generell aber eventuell sogar bei den Oscars dabei sein könnte.

 

Flatliners

Storyanriss:

Was sie in ihren Vorlesungen lernen, reicht den fünf jungen Medizinstudenten Courtney (Ellen Page), Ray (Diego Luna), Jamie (James Norton), Sophia (Kiersey Clemons) und Marlo (Nina Dobrev) nicht: Sie wollen noch viel mehr über den menschlichen Körper und Geist erfahren und sind bereit, für neue Erkenntnisse auch gefährliche Grenzen zu übertreten. Um herauszufinden, ob es ein Leben nach dem Tod gibt, beginnen sie mit einem riskanten Selbstversuch. Sie stoppen ihre Herzen für einen kurzen Zeitraum und bringen sich so an die Schwelle des Todes. Begeistert von dem, was dann geschieht, lassen die Studenten immer mehr Minuten verstreichen, bis sie sich gegenseitig per Defibrillator ins Leben zurückholen. Doch die Experimente bringen ungeahnte Nebenwirkungen mit sich und bald wachsen sie der Gruppe über den Kopf.

Fazit:

Das Flatliners-Remake war leider eine Totgeburt, die bis auf einen passablen Cast nicht viel zu bieten hatte. Die Prämisse bietet zwar durchaus Potential, aber was man mit dieser Idee letztlich anfängt, ist absolut enttäuschend. Vielleicht hätten sie eine Art Chronicle aus dem Set-Up machen sollen oder den Ansatz in 3-4 weiteren Alternativen weiterspinnen müssen, stattdessen bekommt man hier einen total langweiligen, inkonsequenten Film, der alles sein will aber am Ende nichts ist.

Die Charaktere sind eindimensional und der Cast bekommt kaum brauchbares Material mit dem sie arbeiten können. Die Dialoge waren teils haarsträubend und andauernd gab es so merkwürdige Momente, wo beispielsweise ein random Dude an unseren Protagonisten vorbeiläuft, einen dummen, peinlichen Satz fallen lässt, der weder die Geschichte vorantreibt noch der Tiefe der Figuren hilft und dann wieder abhaut. Eigentlich hat man da nur Fragezeichen über dem Kopf und ist peinlich berührt.

Für mich hat sich der Film auch zu viel Zeit genommen um jeden Charakter seine Flatline-Erfahrung zu geben, es dauerte knapp eine Stunde bis überhaupt der zweite Aspekt der Geschichte ins Rollen kam. Man hätte hier durchaus ein wenig zügiger machen und dafür dann die Horrorelemente inhaltlich sowie optisch ausarbeiten können, denn diese waren auch eher unterirdisch. Unsinnige und super generische Schockelemente, die weder Spannung noch Grusel auslösten, sondern wenn überhaupt gähnende Langeweile. Leider reihte sich auch das Ende in die Liste der Enttäuschungen ein, so dass Flatliners schlussendlich wirklich ein komplett belangloser Reinfall bleibt.

Coco – Lebendiger als das Leben

Storyanriss:

Miguel (Stimme im Original: Anthony Gonzalez) ist zwölf Jahre alt und ein großer Fan von Musik – aber leider hasst seine Schusterfamilie alles, was mit Tönen und Instrumenten zu tun hat. Miguels Ururgroßvater verließ damals seine Frau und Tochter, um Musiker zu werden, seitdem fühlen sich die Riveras durch Musik verflucht. Doch Familie hin oder her – Miguel will seinem Idol, dem Sänger Ernesto de la Cruz (Benjamin Bratt), trotzdem nacheifern. Aus Versehen kommt er dabei ins Reich der Toten und betritt dadurch einen wunderschönen Ort, an dem er die Seelen seiner toten Verwandten trifft. Miguels Ururgroßmutter Imelda (Alanna Noel Ubach) ist darunter, und das nette Schwindler-Skelett Hector (Gael García Bernal). Zusammen suchen Skelett und Junge im Totenreich nach de la Cruz, wobei allerdings die Zeit drängt: Zu lange darf Miguel nicht in der Unterwelt bleiben.

Fazit:

Fantastisch. Coco gehörte zu den wenigen Ausnahmen im Animationsgenre dieses Jahr, die mich schon mit ihrem Trailer neugierig gemacht haben und ich muss sagen: Pixar ist und bleibt der Klassenprimus unter den Animationsstudios. Wiedermal schaffen sie es eine tolle, liebevolle Geschichte zu erzählen, die es durch schöne Bilder und kreative Szenen hinbekommt, mit Leichtigkeit die gesamte Klaviatur der Emotionen zu spielen.

Dia de los Muertos, also den „Tag der Toten“ als Gerüst für diese Geschichte zu nehmen, war super genial, vor allem, weil man hier eine wunderschöne Brücke zur mexikanischen Kultur schlagen konnte, die für die Mehrheit sicherlich nicht so geläufig ist. Vor allem der Aspekt der Familienzusammengehörigkeit, die Liebe die man in diesen Kulturkreisen seiner Verwandtschaft bis ins hohe Alter und sogar den Tod hinaus zukommen lässt, war sehr berührend und üblicherweise in westlichen Kulturen nicht so stark verbreitet. In Deutschland ist es nun mal nicht üblich mit 3 Generationen unter einem Dach zu leben.

Eine sehr begrüßenswerte Entscheidung wurde meiner Meinung nach auch bei der Musikauswahl getroffen, denn man hat nicht einfach nur deutsche Songs drüber gestülpt, sondern sich für einen Mix aus deutschen und spanischen Texten entschieden. Sicherlich ist das jetzt vielleicht nicht so extrem einprägsam wie die typischen Disneysongs aber es ist ein netter Kompromiss, der dieser mexikanischen Geschichte Authentizität verleiht und mir das Gefühl vermittelt, dass man sich ernsthaft mit der Thematik und der Kultur befasst hat. Gewisse Parallelen zu „Moana“ aus dem letzten Jahr kommen da zwangsläufig auf für mich, auch wenn das oscarprämierte Moana vom Mutterkonzern Disney selbst stammt.

Was mir an den Pixarfilmen immer besonders gut gefällt, sind die Parallelgesellschaften, die sie so häufig in ihren Filmen kreieren. Egal welches Setting und welche Geschichte, aber sie bekommen es hin unsere Gesellschaft und Struktur im Fall von Coco auf das Reich der Toten zu übertragen, was dazu führt, dass ich mich immer über die Liebe zum Detail freue und in meinen Bart schmunzle. Die Story dreht sich im Kern also um die Ehrung der Lebenden und Toten, behandelt aber auch abseits davon Themen wie die Erwartungshaltung an die eigenen Kinder, das Verwirklichen der persönlichen Träume und welchen Eindruck man bei seinen Liebsten hinterlassen hat und wie sie dich in Erinnerung behalten.

Coco ist ein wunderbarer Film für die Familie mit vielen optischen Highlights und einer liebevollen Geschichte, die gerade zum Ende pure Emotion verspricht. Wer schneidet auch im Kino Zwiebeln..