Minari – Wo wir Wurzeln schlagen | Kritik / Review (Oscars 2021)

Storyanriss:

Jacob (Steven Yuen) und Monica Yi (Yeri Han) sind mit ihrer Tochter Anne (Noel Cho) und ihrem Sohn David (Alan S. Kim) aus Südkorea nach Amerika immigriert. Dort leben sie zuerst in Kalifornien, wo Mutter und Vater mit dem Sortieren von Küken nach Geschlecht ein mageres Einkommen verdienen. Jacob träumt jedoch von einer eigenen Farm und siedelt deswegen mit seiner Familie schließlich nach Arkansas über, wo Grundbesitz günstiger ist. Dort lebt die Familie fortan in dem Wohnwagen, in dem schon der vorherige Besitzer des Landes lebte und an dem Versuch scheiterte, eine Farm zu gründen. Und auch für Familie Yi ist das leichter gesagt als getan: Monica ist am Ende ihrer Kräfte und Jacob verzweifelt daran, dass er nicht für seine Familie sorgen kann. Immerhin kann die aus Südkorea nachgereiste Großmutter der Kinder, Soonja (Youn Yuh-jung), die Familie etwas unterstützen.

Fazit:

Regisseur und Autor Lee Isaac Chung erzählt in Minari nicht nur seine eigene Geschichte, basierend auf seinen Kindheitserinnerungen, sondern auch ein weiteres Kapitel rund um den Mythos des American Dreams – eben jenen amerikanischen Traum, der jedem hartarbeitenden Amerikaner einräumt vom Tellerwäscher zum Millionär aus eigener Kraft zu werden. Das koreanisch-amerikanische Familiendrama folgt dem letztjährigem Oscar-Sieger „Parasite“ von Bong Joon-Ho und kann sich neben viel Liebe auf Filmfestivals wie dem Sundance Festival vor allem auch über gleich 6 Oscar-Nominierungen freuen.

Minari gelingt es die amerikanische und koreanische Kultur zu verweben ohne dabei in die Klischeefalle zu tappen und wird meiner Meinung nach vor allem durch die sehr starke Chemie und dem tollen Schauspiel aller Beteiligten getragen. Egal ob es sich dabei um das Zusammenspiel des The Walking Dead Stars Steven Yeun und seiner Filmfrau Yeri Han handelt oder um die Kinderdarsteller, die immer vor allem dann auftrumpfen, wenn sie mit der kautzigen Großmutter, gespielt von Oscarfavoritin Yuh-jung Youn sich Szenen teilen.

Lee Isaac Chung gelingt hier ein ganz ruhiges, ehrliches Drama mit starken Bildern über den amerikanischen Traum, das vor allem von seinen unaufgeregten aber stark aufspielenden Darstellern lebt und sich gerade dort Hoffnungen auf einen Oscar machen darf.

Marriage Story | Kritik / Review (Oscars 2020)

Storyanriss:

Regisseur Charlie (Adam Driver) und Schauspielerin Nicole (Scarlett Johansson) waren zehn Jahre lang das Traumpaar der New Yorker Theaterszene, haben sich mittlerweile aber kaum mehr etwas zu sagen – es ist Zeit für die Trennung. Nicole möchte zurück zu ihrer Familie nach Los Angeles ziehen und hat dort bereits eine Rolle in einer TV-Pilotfolge angenommen. Insbesondere ihrem kleinen Sohn Henry (Azhy Robertson) zuliebe wollen die beiden die Trennung friedlich über die Bühne bringen. Aber dann kommen doch Anwälte ins Spiel – und aus dem nett zurechtgelegten Konsens wird ein erbitterter Streit über die Frage, wo Henry in Zukunft leben soll.

Fazit:

In Marriage Story erzählt Noah Baumbach in einem Drama wie ein Ehepaar, das sich auseinandergelebt hat, scheiden lässt. Die beiden Eheleute spielen Adam Driver und Scarlett Johansson. Beide spielen dieses starke Script so gut, dass Netflix einen weiteren Award-Contender sein Eigen nennen kann.

Das Drehbuch ist faszinierend: denn eigentlich trennen sich hier zwei Menschen, die ja in erster Linie Liebe füreinander gespürt haben und trotz einer eigentlichen Einigung über eine schlammschlachtfreie Scheidung, womit jeder glücklich ist, wird beiden Protagonisten durch das Rechtssystem in Amerika und ihren beratenden Anwälten Stück für Stück die Kontrolle darüber unter den Fingern weggerissen.

Kleinigkeiten, die nichts über die Eignung als Elter aussagen, werden plötzlich aus dem Kontext gerissen und aufgebauscht um vor Gericht zu punkten und dabei immer mehr Grenzen überschritten. Unsere beiden Hauptfiguren lassen selbst in den ärgsten Streitgesprächen immer durchscheinen, dass sie doch eigentlich beide nur das Beste für Alle wollen und immer noch Liebe füreinander empfinden.

Manche Szenen sind als Zuschauer so schmerzhaft anzusehen, beispielsweise wenn eine Expertin bei Drivers Figur zu Hause ist, um zu überprüfen, ob er denn ein guter Vater sei. Auch die Nebendarsteller sind interessante Charaktere und gut in die Geschichte verwoben. Ob es Scarlett Johanssons Mutter ist, die eigentlich großer Fan ihres Schwiegersohns ist, oder ob es die drei Anwälte sind, die zwar alle das gleiche Ziel verfolgen, aber jeweils so unterschiedliche Ansätze verfolgen, so dass man keine Zuordnung in „Böse“ oder „Gut“ machen kann, sondern einfach auch dieses System hinterfragen muss, das im Prinzip nicht zulässt sich in „Würde“ scheiden zu lassen.

Marriage Story ist eine Überraschung dieses Jahr und Drehbuch sowie Hauptdarsteller gute Anwärter auf den Oscar.

The Favourite | Kritik / Review (Oscars 2019)

The Favourite

Storyanriss:

Der englische Königshof im 18. Jahrhundert: England befindet sich im Krieg gegen Frankreich, doch die kranke und geschwächte Königin Anne (Olivia Colman) ist kaum in der Lage die Nation zu regieren. Stattdessen liegt die Zukunft ihres Landes in den Händen ihrer Vertrauten Lady Sarah (Rachel Weisz), die sich neben den Regierungsgeschäften auch noch um Annes Gesundheit kümmert und versucht, deren Launen im Zaum zu halten. Die Monarchin ist nämlich eine anstrengende Person, die sehr impulsiv ist und zu Wutausbrüchen neigt. Bald tritt ein neues Dienstmädchen, Sarahs Cousine Abigail (Emma Stone), die ihren Adelstitel verloren hat, ihre Stelle am Hofe an und übernimmt zunächst niedere Arbeiten. Schnell wird aber Königin Anne auf den Verstand und den Charme der schönen, jungen Frau aufmerksam. Abigail begegnet der Königin mit Schmeicheleien, was Sarah überhaupt nicht passt. Und so entbrennt zwischen den Cousinen damit schließlich ein erbitterter Kampf um Annes Gunst und dem damit verbundenen politischen Einfluss.

Fazit:

The Favourite ist der neueste Film von Yorgos Lanthimos, dem Regisseur von Dogtooth, The Killing of a Sacred Deer und The Lobster. The Favourite ist mit 10 Oscar-Nominierungen einer der großen Favoriten dieses Jahr. Auch der griechische Regisseur Lanthimos konnte seine dritte Nominierung einsacken. Erstmals schrieb er aber das Drehbuch nicht selbst. Ehrlich gesagt merkt man das auch deutlich, denn es handelt sich hier um den zugänglichsten all seiner Filme. Er ist definitiv weniger grotesk und abgefahren. Es handelt sich schlicht um eine Komödie in einem ungewöhnlichen Kostümfilm-Setting.

Mir hat The Favourite besonders gut gefallen. Die Dialoge sind spritzig und bissig, die 3 Hauptdarstellerinnen sind wie gewohnt über jeden Zweifel erhaben und die Geschichte ist witzig verrückt. Das Drehbuch bietet eine ungewöhnliche Geschichte über eine Dreiecksbeziehung, Loyalität und Intrigen, die mir dieses Jahr viel Spaß gemacht hat. Mal sind die Gespräche von brutalster Ehrlichkeit geprägt und mal durch manipulative Lügengebilde – egal welche Facette man gerade von den drei unterschiedlichen Charakteren präsentiert bekommt: sie sind super unterhaltsam und immer wieder frisch.

Auch die Kameraarbeit und das Editing waren grandios und führten zu traumhaften Bildern und virtuosen Kamerafahrten. Trotz der 10 Nominierungen wird der Film in den wichtigsten Kategorien vermutlich leer ausgehen. Ich denke in Sparten wie Kostümdesign, Produktionsdesign, Original Drehbuch und Schnitt wird man den ein oder anderen Oscar eventuell mitnehmen können. Für die Beste Hauptdarstellerin und Bester Film kann man vielleicht einen Upset schaffen, auch wenn sie nicht zu wahrscheinlich sind.

Dominieren wird The Favourite nicht, obwohl er unter allen Filmen in der Kategorie Bester Film neben A Star is Born mein Highlight war.

A Star Is Born | Kritik / Review (Oscars 2019)

A Star Is Born

Hangover“-Star Bradley Cooper hat sich für sein Regiedebüt sehr große Fußstapfen ausgesucht, die es zu füllen gilt. Mit A Star Is Born verfilmte er nämlich einen bekannten Stoff, der bereits 4x in den 30ern, 50ern und 70ern inszeniert und interpretiert wurde. Unter anderem gab es Versionen mit den Hollywoodlegenden Judy Garland (Der Zauberer von Oz) und Barbra Streisand (Funny Girl) in den Hauptrollen. In seiner Version übernehmen Lady Gaga (American Horror Story) und Bradley Cooper selbst die beiden Hauptrollen.

Storyanriss:

Auf dem Höhepunkt seiner Karriere lernt der Musiker Jackson Maine (Bradley Cooper) die Kellnerin Ally (Lady Gaga) kennen, deren großes musikalisches Talent er sofort erkennt. Nach einer romantischen Nacht, die die beiden mit Philosophieren und Liedertexten auf einem verlassenen Parkplatz verbracht haben, lädt Jackson Ally zu einem seiner Konzerte ein und holt sie dann überraschend auf die Bühne. Der grandiose Auftritt der Nachwuchssängerin geht viral – und nach dem Konzert entwickelt sich nicht nur eine leidenschaftliche Liebesbeziehung zwischen Jackson und seiner musikalischen Entdeckung, sondern Ally wird durch das im Internet kursierenden Video von ihren Sangeskünsten auch schlagartig berühmt. Während ihr Stern nun unaufhaltsam steigt, beginnt der von Jackson zu sinken und er verfällt immer mehr dem Alkohol.

Music is essentially 12 notes between any octave – 12 notes and the octave repeats. It’s the same story told over and over, forever. All any artist can offer this world is how they see those 12 notes. That’s it.

Fazit zu „A Star is Born“:

Die Geschichte ist eine klassische Ode ans Showbusiness, Hollywood und die Liebe, was es wenig überraschend macht, dass ausgerechnet dieser Stoff so oft verfilmt wurde. Hollywood liebt diese Geschichten, wie man im vorletzten Jahr auch bei La La Land sehen konnte. Es geht um die Träumer, Macher, Kreativen in einem Haifischbecken, das dich mit Haut und Haaren auffrisst, wenn du dich nicht durchsetzt. Jackson und Ally spiegeln diese beiden Positionen wider und machen die Geschichte vielschichtig. Untermalt wird diese Erzählung vor allem durch den guten Soundtrack, die Kameraarbeit und authentischen Darstellern.

Die Kameraarbeit vom oscarnominierten Matthew Libatique (Black Swan) war klasse. Ihm gelang es vor allem bei den musikalischen Auftritten einen ziemlich einzigartigen Vibe zu schaffen, der dich glauben lässt, du wärst selbst auf der Bühne. Der Stil wirkte sehr authentisch, intim und zurückgenommen aber keineswegs schlecht. Der Soundtrack wurde zum Großteil selbst geschrieben und komponiert – viele der Songs sind auch mit Hilfe von Bradley Cooper und Lady Gaga entstanden. Vor allem im ersten Drittel haben mir die musikalischen Beiträge sehr gefallen und waren zusammen mit der Inszenierung ein Garant für Gänsehaut.

Auch die Darsteller im Film waren super, egal ob Nebendarsteller wie Dave Chapelle (Chapelle’s Show) und Sam Elliott (Road House), die manchmal ohne viel zu sagen die richtigen Emotionen beim Zuschauer erzeugten oder natürlich Bradley Cooper und Lady Gaga in den Hauptrollen. Bradley

Die Geschichte selbst ist auch wenn man die vier ersten Interpretationen außer Acht lässt, in Versatzstücken schon häufiger so in Filmen verwurstet worden, doch das hat mich zu keinem Zeitpunkt gestört. Gerade das erste Drittel fand ich phänomenal gut und auch das Ende traf bei mir einen Nerv. Wenn ich was kritisieren muss, dann wäre es der Mittelteil des Films, der keineswegs schlecht war, aber ich hätte mir persönlich eine etwas andere Interpretation gewünscht auf die ich jetzt aus spoilertechnischen Grüßen nicht näher eingehe. Das muss aber definitiv nicht jeder so sehen.

Cooper liefert hier vielleicht die beste Leistung seiner Karriere ab und Lady Gaga, die bereits für ihre Rolle in American Horror Story einen Golden Globe bekommen hat, stiehlt hier regelmäßig jede Szene und war eine fantastische Wahl für diese Figur. Schön, dass die beiden Darsteller und Sam Elliott nominiert wurden – auch wenn alle drei nur Außenseiterchancen haben. Auch wenn es sich quasi um ein Remake handelt, hätte Cooper für sein Regiedebüt auch als Regisseur eine Nominierung für den Oscar verdient gehabt. Wie im Herbst von mir vorrausgesagt, hat „Shallow“ seine Chance genutzt und wird völlig zurecht vermutlich am 24. Februar den Goldjungen gewinnen.

Ich empfehle A Star is Born aus vollstem Herzen und bin gespannt wieviel Liebe er bei der Oscar-Verleihung bekommt.

Blackkklansman | Kritik / Review (Oscars 2019)

BlackKklansman

Storyanriss:

Die Siebziger in Colorado Springs: Ron Stallworth (John David Washington) ist der erste Schwarze, der beim Polizeidepartment angenommen wird. Seine Arbeit besteht zunächst aus Undercover-Einsätzen bei Veranstaltungen der Black-Power-Bewegung – bis er einfach mal den Ku-Klux-Klan kontaktiert. Er bittet telefonisch um Aufnahme und wird so tatsächlich Mitglied! Ron gibt sich als weißer Rassist aus, was aber nur so lange klappen kann, wie er nicht an einem örtlichen Treffen teilnimmt. Wann immer es um Rons Anwesenheit bei einer der unmaskierten Ku-Klux-Klan-Veranstaltung geht, springt also der jüdische Kollege Flip (Adam Driver) ein, der dann die aus den Telefongesprächen bekannte Stimme imitiert. Ron und Flip fördern bei ihren Ermittlungen zutage, dass der lokale KKK-Ableger offenbar einen Terroranschlag plant. Und Ron gelingt es sogar, mit dem Neonazi David Duke (Topher Grace) zu telefonieren, einem verdammt hohen Tier im Klan.

Fazit zu „Blackkklansman“:

BlacKkKlansman ist ein spannender Genremix und einer der wichtigsten Filme des Jahres. Auch hier ist es unfassbar eine so skurrile Geschichte vor sich zu haben die wahr ist. Ein schwarzer Cop, der sich beim Ku-Klux-Klan einschleust – mind blown. Der Film bietet viele echt witzige Momente, wenn zum Beispiel Hauptdarsteller John David Washington, Sohn von Legende Denzel Washington, am Telefon mit den KKK-Mitgliedern und Bossen redet und sich selbst das lachen kaum verkneifen kann, weil man ihm erzählen will, er muss ein Weißer sein so wie er redet. Und auch der restliche Cast rund um Adam Driver spielt stark auf und kann mit grandiosen Szenen überzeugen.

Inszenatorisch kann Spike Lee wie immer punkten, gerade wenn er dann wie im letzten Drittel eine politische Rede von Afroamerikanern einem Filmabend von KKK-Mitgliedern gegenüberstellt, die sich den super erfolgreichen und höchstrassistischen Birth of a Nation jubelnd reinziehen. Spike Lee gelingt es trotz des bissigen Humors auch viele Seitenhiebe gegen die damalige sowie heutige Politik zu setzen, die definitiv treffen. So mancher Kommentar löste Schnappatmung aus. Auch ganz am Ende des Films, wenn Spike Lee im Abspann aktuelle Aufnahmen aus Charlottesville zeigt, wirkten diese Bilder wie ein Schlag in die Magengrube.

BlacKkKlansman ist ein witziger und dennoch intellektuell anspruchsvoller Film, der mit seiner Kritik aktueller denn je ist. Die größten Chancen auf einen Oscar-Gewinn am 24. Februar hat der Film in der Kategorie Bestes adaptiertes Drehbuch und Spike Lee als Regisseur.

Bohemian Rhapsody | Kritik / Review (Oscars 2019)

Bohemian Rhapsody

Storyanriss:

Im Jahr 1970 gründen Freddie Mercury (Rami Malek) und seine Bandmitglieder Brian May (Gwilym Lee), Roger Taylor (Ben Hardy) und John Deacon (Joseph Mazzello) die Band Queen. Schnell feiern die vier Männer erste Erfolge und produzieren bald Hit um Hit, doch hinter der Fassade der Band sieht es weit weniger gut aus: Freddie Mercury, der mit bürgerlichem Namen Farrokh Bulsara heißt und aus dem heutigen Tansania stammt, kämpft mit seiner inneren Zerrissenheit und versucht, sich mit seiner Homosexualität zu arrangieren. Schließlich verlässt Mercury Queen um eine Solokarriere zu starten, doch muss schon bald erkennen, dass er ohne seine Mitstreiter aufgeschmissen ist. Obwohl er mittlerweile an AIDS erkrankt ist, gelingt es ihm, seine Bandmitglieder noch einmal zusammenzutrommeln und beim Live Aid einen der legendärsten Auftritte der Musikgeschichte hinzulegen.

Fazit:

Bohemian Rhapsody hat vor seiner Veröffentlichung vor allem Schlagzeilen gemacht, weil es mitten in der Produktion und den Dreharbeiten den Regisseur Bryan Singer verlor. Singer wurde zu diesem Zeitpunkt vorgeworfen vor einigen Jahren einen Jugendlichen sexuell missbraucht zu haben, doch öffentlich gaben sowohl Bryan Singer als auch das Studio die merkwürdige Begründung, dass er einfach nicht am Set erschien und deswegen gefeuert wurde. Singer hingegen bestreitet die Vorwürfe und behauptet er hätte sich um ein schwerkrankes Familienmitglied kümmern müssen. Es soll auch Probleme am Set mit Star Rami Malek gegeben haben. Was letztlich auch stimmen mag, Regisseur Dexter Fletscher – der uns bereits mit dem sehr guten Eddy the Eagle Biopic überzeugen konnte – hat übernommen.

Bohemian Rhapsody ist insgesamt eher ein Wohlfühlfilm geworden, der zwar die Probleme wie die HIV-Erkrankung oder die Probleme innerhalb Queens anspricht, aber auch nur anreißt. Letztlich geht um den Ikonenstatus Queens, ihre Erfolge und natürlich die beliebte Musik. Freddie Mercury wurde grandios von Rami Malek dargestellt. Neben Malek fand ich vor allem Lucy Boynton als die Liebe seines Lebens Mary Austin herausragend. Absolut faszinierend war die detailgetreue Nachbildung einiger Ereignisse. Das Finale, der Life Aid Auftritt in Wembley, war einfach fantastisch und garantiert Gänsehaut. Die Musik spielt neben Malek wohl die zweite Hauptrolle und war wenig überraschend geil.

Klare Empfehlung für Bohemian Rhapsody, der meiner Meinung nach alles hält was er verspricht und ein unterhaltsames Biopic ist. Rami Malek gilt als ein großer Favorit auf den Oscar in der Kategorie „Bester Hauptdarsteller„, doch könnte auf der Zielgeraden durch das Thema Bryan Singer noch einen Rückschlag erleben.

Round-Up | Drama | Sommer 2018

Molly’s Game

Storyanriss:

Molly Bloom (Jessica Chastain) ist eine junge talentierte Skifahrerin und die große Hoffnung der USA bei den Olympischen Spielen, doch nach einer schweren Verletzung muss sie ihre Karriere notgedrungen aufgeben. Auch ihr Jurastudium schmeißt Molly wenig später hin und landet über Umwege schließlich in der Welt des Underground-Pokers. Schnell erkennt sie, dass sie ein Talent für die Organisation der illegalen Wettbewerbe hat und stellt schließlich ihr eigenes Pokerturnier auf die Beine – der Beginn einer langen Karriere. Zu Mollys Klientel zählen prominente Gesichter aus Hollywood, Sportstars, einflussreiche Geschäftsmänner sowie auch – allerdings ohne Blooms Wissen – die russische Mafia. Dadurch findet das große Geschäft eines Tages ein jähes Ende. Mitten in der Nacht wird Molly vom FBI verhaftet. Als ihr einziger Verbündeter entpuppt sich ihr Strafverteidiger Harlie Jaffey (Idris Elba). Er ahnt, dass in Bloom mehr steckt als in den Boulevardblätter beschrieben wird.

Fazit:

Aaron Sorkin gehört zu den Personen in Hollywood die ich vergöttere und von denen ich alles verschlinge was sie entwickeln, so auch sein Regiedebüt Molly’s Game. Er ist bekannt für seine Stakkato-Dialogsequenzen, wie wir sie beispielsweise in The Social Network oder Steve Jobs gesehen haben und auf diese kann man sich natürlich auch dieses Mal freuen. Diese super dynamischen und verdammt unterhaltsamen Gespräche bekommt man auch auf gewohnt hohem Niveau präsentiert.

Gute Texte sind aber auch nur die halbe Miete, wenn man keine hochkarätigen Darsteller hat, die diese rüberbringen können. Glücklicherweise haben sich Aaron Sorkin und die echte Molly Bloom für die zweifach oscarnominierte Jessica Chastain und Idris Elba entschieden, die beide zu den besten Schauspielern unsere Zeit gehören. Beide lieferten wie üblich eine sehr gute Leistung ab.

Molly Blooms Geschichte ist super außergewöhnlich und spannend und ich find, dass das gut rüberkam. Einen besonderen Kick hat mir der Film gegeben, weil er ohne Namen zu nennen über bekannte Personen spricht und diese im Film portraitiert. Hinterher zu lesen, welche wahren Figuren gemeint waren, macht direkt Bock den Film erneut anzuschauen.

Tolles Regiedebüt von Aaron Sorkin, dem man wieder aus der Hand frisst mit seiner ikonischen Dialogdynamik.

All I See Is You

Storyanriss:

Gina (Blake Lively) kämpft noch immer mit einem traumatischen Ereignis aus ihrer Kindheit, denn als Teenagerin geriet sie mit ihren Eltern in einen Unfall, der zur Erblindung der jungen Frau führte. Heute, eine Dekade später, lebt Gina in Bangkok – zusammen mit ihrem Ehemann James (Jason Clarke), einem Versicherungsverkäufer, von dem sie nahezu komplett abhängig ist. Die meiste Zeit verbringt sie am nahegelegenen Pool und im gemeinsamen Apartment, das ganz nach James‘ Geschmack dekoriert ist. Doch dann geschieht ein medizinisches Wunder: Nach einer komplizierten Operation erlangt Gina ihr Augenlicht wieder. Fortan ist ihr Leben nicht weiter auf das beschränkt, was ihr Partner ihr erzählt. James wiederum freut sich einerseits für seine Frau, andererseits aber fühlt er sich schlagartig unwohler, denn nun kann auch Gina erkennen, dass er eigentlich ein sehr gewöhnlicher Typ ist.

Fazit:

All I See Is You ist kein Kinorelease aus diesem Jahr, aber ein Film den ich diesen Sommer nachgeholt habe und mit euch teilen wollte. Die Idee, dass eine blinde Person ihr Augenlicht wiederbekommt ist per se nicht unbedingt neu, doch im Gegensatz zu Vertretern wie The Eye und Co. handelt es sich hier dann weniger um einen Horrorfilm oder Crimethriller. All I See Is You ist mehr eine Charakterstudie wie das Leben und eine romantische Beziehung als Blinde und als Sehende sich verändert. Der unausweichliche Clash von Vorstellungen, Erwartungshaltung und Realität war durchaus spannend. Hierbei fokussiert sich der Film aber nicht nur auf Blake Livelys Charakter, sondern auch auf die ihrer Mitmenschen, denn für diese ist so eine Veränderung ebenfalls ein sehr großer Schritt.

Der Film hat ein paar Pacing-Probleme und Mängel im Drehbuch, kann aber mit einigen cleveren Ideen und zwei guten Hauptdarstellern punkten.

Auslöschung

Storyanriss:

Vor drei Jahren erschütterte ein mysteriöses Ereignis das Gebiet, das jetzt als Area X bekannt ist. Abgeschnitten von jeglicher Zivilisation begräbt die Natur die spärlichen Überreste menschlicher Kultur unter sich. Die geheime Regierungsorganisation „Southern Reach“ ist dafür zuständig, herauszufinden, was in Area X vorgefallen ist und was nun hinter der unsichtbaren Grenze geschieht. Mehrere Expeditionen sandte Southern Reach in das kontaminierte Gebiet – nur der Soldat Kane (Oscar Isaac) kam lebend zurück. Ein neues Team bestehend aus den Wissenschaftlerinnen Lena (Natalie Portman), Anya Thorensen (Gina Rodriguez), Cass Shepard (Tuva Novotny), Josie Radek (Tessa Thompson) und Leiterin Dr. Ventress (Jennifer Jason Leigh) soll nun endgültig die Geheimnisse der Region lüften – das Gebiet kartographieren, Flora und Fauna katalogisieren und die Beobachtungen dokumentieren. Doch sind es nicht nur die Mysterien von Area X, sondern die Geheimnisse der Frauen untereinander, die die Expedition gefährden.

Fazit:

Auslöschung / Annihilation ist ebenfalls kein Kinorelease, oder doch? Genau genommen ist es sowohl im Kino als auch hauptsächlich auf Netflix gelaufen. Wenn ich mich recht erinnere, lief der Film nur in Nordamerika in den Kinos und war für den großen Rest der Welt nur über den Streaminganbieter verfügbar.

Nach dem absolut geilen Achtungserfolg Ex Machina, hat Alex Garland jetzt mit der Adaption einer Romanreihe unter dem Titel Auslöschung nachgelegt. Der Cast ist dieses Mal deutlich größer als noch bei Ex Machina, aber nicht weniger hochkarätig besetzt. Der Film ist super atmosphärisch und die spannend erzählte Geschichte gehören zu den großen Pluspunkten. Zusätzlich sieht Annihilation sehr gut aus und kann mit kreativen Effekten, Designs und Set-Pieces brillieren.

Für mich hat der Film bis auf das Ende weitestgehend super funktioniert. Der Abschluss des Films driftete mir zu stark ins esoterische ab und verwirrte mich mehr als das es mir befriedigende Antworten lieferte, aber bis dahin – und das sind immerhin 90% des Films – hat Alex Garland wieder toll abgeliefert.

A Ghost Story

Storyanriss:

Der kürzlich verstorbene C (Casey Affleck) kehrt als Geist zu seiner trauernden Frau M (Rooney Mara) zurück. Er verbleibt in dem gemeinsamen Haus, um sie mit seiner Anwesenheit zu trösten und an ihrem Alltag teilzuhaben, doch stellt schnell fest, dass er in der Zwischenwelt feststeckt. Unfähig, diesen Ort wieder zu verlassen, muss er zusehen, wie seine Frau ihr Leben ohne ihn weiterlebt und ihm immer mehr entgleitet. Doch langsam gelingt es ihm, sich zu lösen, und er begibt sich auf eine kosmische Reise, auf der er sich mit den Rätseln des Lebens auseinandersetzen muss, um Frieden zu finden und herauszufinden, was es bedeutet, nach dem Tod zu einer Erinnerung zu werden und ein andauerndes Vermächtnis zu hinterlassen.

Fazit:

Ein sehr ungewöhnliches aber spannendes Konzept für einen Film. Die Idee einer Person nach dem Ableben als Geist zu folgen wie dieser seinen Partner zu Lebzeiten begleitet, während dieser alle Stufen der Trauerbewältigung durchmacht, hat was. Klar es ist auch ein wenig artsy-fartsy und prätentiös, aber hier kann ich das für das Gesamtkonzept hinnehmen.

Mir hat gefallen, dass man nicht nur sieht wie Rooney Mara als Witwe weiterlebt, sondern auch wie Casey Affleck als Geist auf gewisse Szenarien reagiert. Der Film ist sehr ruhig erzählt und die Länge merkt man ihm durch das Pacing schon an. Als Fan des Filmemachens kann ich A Ghost Story als Experiment schätzen, richtig empfehlen für einen casual Filmabend kann ich ihn aber nicht.

Papillon

Storyanriss:

Frankreich in den 1930er Jahren: Henri „Papillon“ Charrière (Charlie Hunnam) soll einen Mord begangen haben und wird, obwohl er unschuldig ist, zu lebenslanger Haft in der berüchtigten Strafkolonie St. Laurent in Französisch-Guayana verurteilt. Schon auf dem Weg nach St. Laurent begegnet er dem ebenfalls zu einer langen Haftstrafe verurteilten Fälscher Louis Dega (Rami Malek). Als dieser von anderen Häftlingen angegriffen wird, verteidigt ihn Papillon und die beiden unterschiedlichen Männer treffen schließlich eine Vereinbarung: Louis wird auch weiterhin von Papillon beschützt und unterstützt ihn im Gegenzug bei seiner geplanten Flucht. Während ihrer gemeinsamen Zeit im Straflager entwickelt sich so nach und nach eine tiefe Freundschaft zwischen ihnen, dank der sich die Strapazen und die sadistischen Wärter einigermaßen ertragen lassen.

Fazit:
Zugegeben: ich kannte das Original vorher nicht, doch ähnlich wie ein Großteil der Leute, die beide Versionen kennen, war auch ich mit der 2018er Version zufrieden. Charlie Hunnam und Rami Malek verkörpern also nun in dieser wahren Geschichte Papillon und Louis Dega, die 1973 noch vom Steve McQueen und Dustin Hoffman gespielt wurden. Papillon sah super aus und zeigte die brutale und ausweglose Situation der Gefangenen in diesen südamerikanischen Strafkolonien.

Ich bin eh ein sucker for prison-break Filme und war begeistert von dieser Interpretation. Der Cast war durchweg super und neben den beiden Hauptrollen hat mir gerade Roland Moller noch sehr gut gefallen. Ich empfand den Film zwar zu keinem Zeitpunkt wirklich langweilig, aber ein wenig Sitzfleisch braucht man bei einer Lauflänge von 115 Minuten dann doch, weil man sie hier und da leicht spürt. Nichtsdestotrotz kann ich Papillon definitiv empfehlen.

Vollblüter

Storyanriss:

Lily (Anya Taylor-Joy) und Amanda (Olivia Cooke), zwei Teenagerinnen in einer Vorstadt in Connecticut, erneuern ihre Freundschaft, nachdem sie sich in den vergangenen Jahren voneinander entfernt hatten. Lily ist auf eine gute Schule gegangen, wird bald ein begehrtes Praktikum beginnen und ist voll in der gesellschaftlichen Ober-Klasse angekommen, während Amanda mit einem scharfen Verstand und ihrer ganz eigenen Einstellung zu den Dingen glänzt, jedoch im Zuge ihrer Entwicklung auch zu einer sozialen Außenseiterin wurde. Nach anfänglichen Schwierigkeiten verstehen sich die beiden wieder hervorragend, bringen aber nach und nach auch die Schattenseiten des anderen zum Vorschein – was schließlich dazu führt, dass sie den Kleinganoven Tim (Anton Yelchin) anheuern, um einen Mord zu begehen.

Fazit:

Vollblüter / Thoroughbreds ist eine Charakterstudie, eine Satire, ein Drama, ein Thriller und letztlich am besten zu genießen, wenn man so wenig wie möglich darüber weiß. Es ist das wahnsinnig gute Erstlingswerk von Regisseur Cory Finley und zugleich leider der letzte Film von Schauspieler Anton Yelchin (Star Trek), der bereits vor zwei Jahren bei einem tragischen Unfall ums Leben kam. Auch in Vollblüter ergänzt er eindrucksvoll die beiden Hauptdarstellerinnen Anja Taylor-Joy (The Witch) + Olivia Cooke (Ready Player One).

Die zwei sollte mittlerweile jeder auf dem Schirm haben, denn sie sind endgültig in der Hollywoodriege von Jungschauspielerinnen angekommen, die bereits so viele gute Filme gedreht haben. Ihre Karrieren sollte man unbedingt weiterverfolgen und ich bin mir sicher, dass wir sie bald im Rennen um die wichtigen Filmpreise sehen werden. In Vollblüter spielen die beiden zwei Charaktere, die merkwürdigerweise gleichzeitig sich so unfassbar nah sind, obwohl sie so unterschiedlich sind. Sie ergänzen ihre Rollen perfekt und sind auch schauspielerisch absolut grandios.

Die Story und die Figuren sind sehr außergewöhnlich und verdammt gut umgesetzt. Das Drehbuch ist düster, skurril und hält die Neugier für was als Nächstes kommt über den gesamten Film aufrecht. Und wenn es dann auf den finalen Akt zugeht, inszeniert Finley sein eigenes Drehbuch so virtuos und schafft es mit kleinen Kniffen große Wirkung zu erzielen und sich ins Gedächtnis des Zuschauers zu brennen. Ich bin absolut begeistert von diesem ungewöhnlichen Film und habe sehr wahrscheinlich einen Kandidaten für meine Top 15 des Jahres gefunden.

Three Billboards Outside Ebbing, Missouri | Kritik / Review (Oscars 2018)

Three Billboards Outside Ebbing, Missouri | Kritik / Review

(Trailer)

Das Drehbuch zum Film hatte Autor und Regisseur Martin McDonagh (Brügge sehen ..und sterben?) schon vor acht Jahren verfasst, die Idee für Three Billboards Outside Ebbing, Missouri aber vor mehr als zwei Jahrzehnten als er während einer Busfahrt ähnliche Werbetafeln gesehen hat, wie sie im Film thematisiert werden. Er fragte sich damals welche Art Wut, Schmerz und Geschichte dazu geführt haben muss und schrieb dann das Drehbuch. Für seinen Cast konnte er unter anderem Woody Harrelson (Die Tribute von Panem), Frances McDormand (Fargo), Lucas Hedges (Lady Bird), Sam Rockwell (Moon), Abbie Cornish (RoboCop), John Hawkes (Everest) und Peter Dinklage (Game of Thrones) gewinnen. Three Billboards ist für insgesamt sieben Oscars nominiert.

Storyanriss:

Die Tochter von Mildred Hayes (Frances McDormand) wurde vor Monaten ganz in der Nähe ihres Zuhauses vergewaltigt und ermordet, aber noch immer tut sich in dem Fall nichts. Von einem Hauptverdächtigen fehlt jedenfalls noch jede Spur und so langsam glaubt Mildred, dass die örtliche Polizei einfach ihre Arbeit nicht richtig macht. Und ganz anders als ihr Sohn Robbie (Lucas Hedges), der einfach nur sein Leben weiterleben möchte, kann sie das nicht akzeptieren. Darum lässt sie eines Tages an der Straße, die in ihren Heimatort Ebbing, Missouri führt, drei Werbetafeln mit provokanten Sprüchen aufstellen, die sich an Polizeichef William Willoughby (Woody Harrelson) richten. Klar, dass die Situation nicht lange friedlich bleibt. Als sich dann noch Officer Dixon (Sam Rockwell) einmischt, ein unreifes und gewalttätiges Muttersöhnchen, eskaliert die Lage.

Why don’t you put that on your Good Morning Missouri fucking wake up broadcast, bitch? 

Fazit zu „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“:

Ein absolut toller Film und meine Nummer zwei im diesjährigen Oscar-Rennen. Die Geschichte ist ungewöhnlich und beleuchtet mal einen neuen Blickwinkel auf diese Thematik. Erneut schafft es Regisseur Martin McDonagh wie auch schon bei Brügge sehen.. und sterben? oder 7 Psychos eine durchaus ernste und düstere Thematik mit viel zynischem und schwarzen Humor so zu verfeinern, dass man in einer Szene den Tränen nahe ist und dann im Anschluss daran wieder herzhaft zu lachen anfängt.

Es geht in Three Billboards Outside Ebbing, Missouri um Trauerbewältigung, Wut, Hoffnungslosigkeit, Vergebung, Mut, Schuldzuweisung und auch Rassismus. McDonagh wollte sichergehen, dass die Traurigkeit über den Verlust und der Kampf gegen die Hoffnungslosigkeit tonal auch den gesamten Film über zu spüren ist, trotz dieser bitterbösen Auflockerungen. Das ist ihm fantastisch gelungen.

Sam Rockwell, Woody Harrelson und Frances McDormand - Three Billboards Outside Ebbing, Missouri

Dieses starke Drehbuch wird von vielen grandiosen Performances der Darsteller zum Leben erweckt. 3 Billboards hat für Woody Harrelson, Sam Rockwell und Frances McDormand gleich drei Schauspielnominierung einstreichen können und gerade Rockwell und McDormand waren unfassbar gut. Beide haben ihre Charaktere super glaubwürdig und authentisch geschauspielert mitsamt einer runden Charakterentwicklung – zumindest für mich. Im Vorfeld hatten sich ja einige kritische Stimmen geäußert, weil sie mit der Figur von Sam Rockwell nicht zufrieden waren – diese Entrüstung konnte ich so nicht nachvollziehen.

Für mich hat bei Three Billboards Outside Ebbing, Missouri einfach alles gestimmt, mutige Entscheidungen rundeten meinen Gesamteindruck ab. In vielen anderen Filmen wäre man an so mancher Abzweigung auf den anderen Weg abgebogen. Gerade auch am Ende, wo ich zunächst Angst hatte, dass man jetzt einen Schritt zu weit geht, hat McDonagh noch besonnen die Kurve bekommen.

Herausragender Film mit einem frischen Blickwinkel auf altbekannte Themen, phänomenalen Darstellern und der perfekten Mischung aus Tragik und schwarzem Humor.

Der seidene Faden | Kritik / Review (Oscars 2018)

Der seidene Faden | Kritik / Review (Oscars 2018)

(Trailer)

Vor knapp einem halben Jahr verkündete Daniel Day-Lewis (Lincoln), der sich mit Jack Nicholson (Einer flog über das Kuckucksnest) und Walter Brennan (Kentucky) den Rekord für die meisten männlichen Schauspiel-Oscars teilt, dass er mit nur 60 Jahren seine Schauspielkarriere beendet. Zugegeben hört man das nicht zum ersten Mal vom dreifachen Preisträger und Schauspiel-Virtuosen – hoffentlich folgt auch dieses Mal der Rücktritt vom Rücktritt.

Doch Künstler wäre nicht Künstler, wenn er nicht mit einem großen Auftritt abtreten würde und so kollaboriert er ein weiteres Mal mit Regisseur Paul Thomas Anderson (There will Be Blood) für Der seidene Faden / Phantom Thread. Neben Daniel Day-Lewis sind Vicky Krieps (Wer ist Hanna?) und Lesley Manville (Maleficient) zu sehen, die wie Day-Lewis eine Nominierung in der Darstellerkategorie bekommen hat.

Storyanriss:

London in den 1950er Jahren: Reynolds Woodcock (Daniel Day-Lewis) ist ein berühmter Damenschneider und begehrter Junggeselle. Gemeinsam mit seiner Schwester Cyril (Lesley Manville) steht er im Zentrum der britischen Modewelt, ihre Marke „The House of Woodcock“ wird vom Adel ebenso geschätzt wie von Filmstars und High-Society-Größen. In Liebesdingen hält sich Reynolds für verflucht und flüchtet sich von einer Affäre in die nächste. Doch dann tritt Alma (Vicky Krieps) in sein Leben, eine willensstarke Frau, die nicht nur seine Geliebte wird, sondern auch seine größte Inspiration. Aber Alma will nicht nur der Ton in den Händen des großen Künstlers sein, sie stellt Reynolds vor die Herausforderung, einen anderen Menschen mit einer starken Persönlichkeit an seiner Seite zu akzeptieren. Das sorgsam kontrollierte Leben des Designers droht aus den Fugen zu geraten.

Daniel Day-Lewis

I’ve given him what he desires most in return, every piece of me.

Fazit zu „Der seidene Faden“:

Daniel Day-Lewis ist für viele der Godfather des Schauspiels, der vor allem für sein Method Acting bekannt ist. Seine Akribie in Vorbereitung auf eine Rolle und während der Filmdrehs machen ihn aus. So hat er für Lincoln seinen Charakter des ehemaligen Präsidenten Abraham Lincoln über drei Monate nicht gebrochen. Spielberg, Cast und der Rest der Crew durften ihn nur als Mr. President ansprechen. Für Der letzte Mohikaner lernte er wie man selbst ein Kanu baut, ein altmodisches Gewehr benutzt, Fallen legt und Tiere häutet. Beim Dreh für Mein linker Fuß bestand er darauf permanent am Set in einem Rollstuhl zu sitzen und von seiner Crew gefüttert zu werden.

Wenig verwunderlich ist es also, dass er für Der seidene Faden natürlich auch selbst ein Balenciaga Dress eigenständig bis ins letzte Detail anfertigte. Zusätzlich forderte er von seiner Muse und Liebhaberin im Film, toll gespielt von Vicky Krieps, ihn zum ersten Mal in der Kennenlernszene des Films zu treffen, um so diesen besonderen Moment einzufangen – das hat dieser Szene eine neue Würze verliehen.

Die Ausstattung war bei einem Film mit dieser Thematik natürlich richtig stark. Die Kostümabteilung hat in Vorbereitung auf die Dreharbeiten mehr als 50 handgefertigte Kleiderstücke angefertigt. Unter anderem wurde, um möglichst authentisch zu sein, seltene flämische Spitze aus dem 17.Jahrhundert besorgt und im Film verarbeitet.

Das Schauspiel im Film war natürlich super. Daniel Day-Lewis kann man wie gewohnt als überragend beschreibend, da er nicht nur einen Charakter spielt, sondern zu ihm wird auf der Leinwand. Überrascht war ich von seinen Co-Darstellerinnen Vicky Krieps und Lesley Manville, die mir bis dato völlig unbekannt waren, aber auf demselben Level agierten.

Dennoch konnten die drei für mich nicht so recht über die sehr gemächliche, teils schleppende Erzählweise hinwegtrösten. Die Geschichte ist zwar perfekt in Szene gesetzt, konnte mich aber über weite Strecken nicht abholen. Ich hoffte insgeheim eigentlich auf eine Art „Das Parfüm“-Vibe, die mir Der seidene Faden dann doch schuldig blieb, auch wenn die bis dahin dokumentierte Geschichte über einen exzentrischen Virtuosen im letzten Drittel nochmal an einem interessanten Element gewinnt.

Die „Auflösung“ des Films und die Beziehungen der Charaktere bieten definitiv genügend Gesprächsstoff und das finde ich klasse. Trotz diesem Pluspunkt, der gewohnt guten Regiearbeit Paul Thomas Andersons und der hervorragenden Darsteller reicht mir das als Gesamtprodukt nicht für einen Sieg in der Kategorie „Bester Film“ – vor allem wenn Filme wie Ingrid Goes West, Blade Runner 2049, Good Times, Wind River oder The Big Sick dafür keine Nominierung bekommen haben.

Dunkirk | Kritik / Review (Oscars 2018)

Dunkirk

(Trailer)

Gestern habe ich euch Die dunkelste Stunde von Joe Wright vorgestellt, der die Rettungsaktion von Dunkirk aus der politischen Sicht betrachtete. Heute befassen wir uns mit Dunkirk von Christopher Nolan (Interstellar), der die Geschichte über die Soldaten vor Ort erzählt. Nolan hat aus diesem Stoff ein großes Filmexperiment gemacht und unter anderem mit seinem Kamermann Hoyte von Hoytema auf IMAX 65mm Kameras gefilmt.

Christopher Nolan, der wohl bei der breiten Masse beliebteste Regisseur unserer Zeit, ist zum ersten mal für den Regie-Oscar nominiert. Für viele ungewöhnlich hat er sich dieses Mal für die Verfilmung eines geschichtlichen Ereignisses entschieden: der Belagerung Dunkirks/Dünkirchen zur Zeit des zweiten Weltkriegs. Neben neuen Gesichtern wie Harry Styles oder Fionn Whitehead, sind mit Tom Hardy (Mad Max Fury Road), Mark Rylance (Bridge of Spies) und Cillian Murphy (28 Days Later) auch paar gestandene Schauspieler dabei.

Storyanriss:

Mai 1940, der Zweite Weltkrieg tobt: Die Nazis haben die französische Hafenstadt Dünkirchen eingekesselt und für deren Bewohner und die 400.000 dort stationierten Soldaten scheint die Lage ausweglos. Denn durch die feindlichen Truppen auf der einen Seite und das Wasser auf der anderen scheint es keine Chance auf Überleben zu geben. Doch in Großbritannien ersinnt man eine kühne Rettungsmission, von der zuerst nur die wenigsten glauben, dass sie Aussicht auf Erfolg haben kann: Während die eingekesselten Soldaten, darunter Tommy (Fionn Whitehead), Alex (Harry Styles) und Gibson (Aneurin Barnard), am Boden ums Überleben kämpfen, sorgen RAF-Piloten wie Farrier (Tom Hardy) in ihren Spitfires für Feuerschutz aus der Luft. Gleichzeitig eilen von Commander Bolton (Kenneth Branagh) koordinierte Zivilisten wie Mr. Dawson (Mark Rylance) den eingekesselten Soldaten mit ihren kleinen Booten übers Wasser zu Hilfe.

Hope is a weapon.

Fazit zu „Dunkirk“:

Für mich ist Dunkirk ein sehr beeindruckendes Filmexperiment. Ich habe den Film im IMAX gesehen wie es von den meisten Kritikern empfohlen wird und kann diesen Tipp nur an euch weitergeben. Die 2-3 € Preisunterschied lohnen sich. Christopher Nolan macht mal wieder einiges anders als andere Genrevertreter wie beispielsweise Der Soldat James Ryan oder Hacksaw Ridge. So gibt es zwar wechselnde Figuren die wir immer Mal wieder begleiten aber keiner von ihnen ist wirklich ein typischer Hauptcharakter im klassischen Sinne. Es gibt auch trotz toller Schauspieler kaum Dialoge im Film.

Letztlich ist jede Figur gleich viel wert in diesem Krieg oder eben nicht. Genauso entschied sich Nolan dagegen Dunkirk nach gängigem Schema eines Dramas zu inszenieren und dem Zuschauer einen wirklichen Klimax zu bieten auf den man hinfiebert und der das Highlight des Films darstellt. Es ist eher so, dass dieser Anti-Kriegsfilm ab der ersten Szene eine Anspannung beim Zuschauer auslöst, die sich dann den kompletten Film auf einem hohen Level hält. Das mag ungewöhnlich sein und vielleicht bei einigen eher negativ ankommen aber ich habe das für mich so gedeutet, dass dir diese Inszenierung das Gefühl der im Film gezeigten Soldaten zeigen soll, die auch unter permanenter Anspannung von einer gefährlichen Situation in die nächste geraten und sich nie sicher fühlen konnten.

Großen Anteil an diesem beklemmenden Gefühl hatte vor allem das grandiose Soundediting, welches auch für den Oscar nominiert wurde. Gerade im IMAX fühlte man sich wie mitten drin, wenn von allen Winkeln Gunshots oder Explosionen zu hören waren. Darüber hinaus fand ich die Idee cool im Prinzip drei Geschichten und Zeitebenen ineinander zu verflechten. So erzählt Nolan die Belagerung und Befreiung Dunkirks zum einen aus der Sicht der Soldaten auf dem Land über einen Zeitraum von einer Woche, zum anderen aus der Sicht einer Bootscrew über einen Tag und zu guter Letzt durch die Augen zweier Piloten die eine Stunde im Geschehen sind. Das ist komplex, manchmal auch ein wenig verwirrend aber insgesamt ziemlich stark.

Auch wenn ich mir prinzipiell eher andere Stoffe von Nolan wünsche, muss ich sagen, dass er mich mit Dunkirk dann doch positiv überrascht und einen toll inszenierten Film auf die Leinwand gebracht hat.