Kurzkritiken Round-Up November 2018

Aufbruch zum Mond

Storyanriss:

Der Ingenieur Neil Armstrong (Ryan Gosling) arbeitet Anfang der 60er Jahre als Testpilot für Jets und Raketenflugzeuge und hat mit seiner Frau Janet (Claire Foy) und den beiden Kindern Rick (Gavin Warren) und Karen (Lucy Stafford) eine liebende Familie hinter sich, die ihm den Rücke stärkt. Sein ganzes Leben ändert sich jedoch, als seine Tochter an einem Gehirntumor stirbt und die Familie nach einer Veränderung sucht. Diese bietet sich, als die NASA für ein Mondprogramm auf der Suche nach Piloten mit Ingenieurswissen ist. Neil nutzt die Chance und zieht mit seiner Familie nach Houston, wo er eine Ausbildung zum Astronauten beginnt. Nach etlichen Strapazen und Testflügen, kämpft sich der professionelle Ingenieur bis an die Spitze und wird bald gemeinsam mit Buzz Aldrin (Corey Stoll) und Mike Collins (Lukas Haas) mit der Apollo-11-Mission zum Mond geschickt.

Fazit:

Regiewunderkind und jüngster Oscar-Gewinner der Kategorie Beste Regie Damien Chazelle meldet sich nach dem Drummer-Drama Whiplash und dem rekordbrechenden Musical La La Land zurück mit einem Biopic über Neil Armstrong und die Mondlandung. Erstmals hat Chazelle nicht das Drehbuch zu einem seiner Filme beigesteuert und wie üblich war ich bei der Ankündigung dieses Projekt ein klein wenig enttäuscht, weil ich von so talentierten Schaffenden mir möglichst kreative neue Stoffe erhoffe und für mich dahingegen ein Biopic, bzw. Film der auf wahren Begebenheiten beruht das Malen-nach-Zahlen Äquivalent dazu darstellt. Es war abzusehen, dass es ein solider, guter Film werden würde, aber die Chance, dass er mich absolut aus den Socken haut war deutlich geringer.

Letztlich sollte ich mit dieser Befürchtung recht behalten, denn handwerklich ist Aufbruch zum Mond / First Man wieder nahezu perfekt. Die Bilder sind schön, das Schauspiel authentisch, Kameraarbeit reduziert aber spitze, Drehbuch durchdacht, Musik stimmungsvoll untermalend, Effekte sind tricktechnisch herausragend. Eigentlich bietet der Film nichts worüber man wirklich meckern könnte, doch dennoch hat mich zum ersten Mal ein Damien Chazelle Film absolut kalt gelassen. Natürlich gibt es mit den vielen Opfern des wissenschaftlichen Wettrüstens, den Schicksalsschlägen und Konflikten in den Familien sowie der eigentlichen Mondlandung viele emotionale Steilvorlagen, doch so richtig wollte das bei mir nicht zünden und auch die 140 Minuten Laufzeit merkte ich dadurch mehr.

Aufbruch zum Mond ist ein handwerklich beeindruckendes Biopic, das bei mir zwar emotional nicht landen konnte wie es Neil Armstrong einst auf dem Mond tat, aber dennoch eine große Rolle bei den Oscars spielen könnte.

Nur ein kleiner Gefallen

Storyanriss:

Seit dem Tod ihres Mannes muss Stephanie (Anna Kendrick) ihren Sohn Miles (Joshua Satine) alleine versorgen. Als mäßig erfolgreiche Mom-Bloggerin lässt sie dabei ihre Umwelt an den Höhen und Tiefen ihres Lebens teilhaben. Zudem ist sie ungemein hilfsbereit. Daher ist es für sie selbstverständlich, ihrer neuen Freundin auszuhelfen: Mode-PR-Chefin Emily (Blake Lively) bittet sie darum, Sohn Nicky (Ian Ho) nach der Schule für ein paar Stunden mit nach Hause zu nehmen. Doch am Abend erscheint Emily nicht, um ihren Sprössling abzuholen. Tage und Wochen ziehen ins Land, in denen sich Stephanie zusammen mit Emilys Mann Sean (Henry Golding) um den Jungen kümmert und versucht Emily zu finden.

Fazit:

Oh, wie habe ich mich auf diesen Film gefreut. Als Fan von Blake Lively und Anna Kendrick haben mir bereits die Monate vor dem Deutschlandstart viel Spaß gemacht, weil die beiden ein Duo bilden, von dem ich nicht wusste, dass ich es brauche, aber sehr froh war es zu bekommen. Beide Schauspielerinnen beherrschen das Social-Media-Game sehr gut, bringen immer viel Spaß, sind schlagfertig und rocken mit ihrer sympathischen Art die Promo-Interviews.

Paul Feigs neuester Film ist ein origineller, bizarrer Mix aus bitterböser, schwarzhumoriger Komödie, Satire und Psycho-Thriller. Nur ein kleiner Gefallen treibt dir manchmal die Schamesröte ins Gesicht, lässt dich laut lachen über bissigen Spitzen gegenüber Rollenklischees und der Gesellschaft und bietet darüber hinaus auch ein wenig Rätselspaß für Thrillerfans. Die Geschichte ist so reich an Twists und Turns, so dass ab einem gewissen Zeitpunkt die Glaubwürdigkeit der Geschichte schon leidet. Jedoch werden diese Momente dann aufgefangen durch die schwarzhumorigen Elemente des Genre-Mix‘ und wirken damit nur noch halb so schlimm. Ja, einige Wendungen, gerade zum Ende hin, sind vielleicht ein wenig zu viel und wie bei so einer explosiven Kombination sämtlicher Genres, gibt es immer die Momente, wo man lieber mehr Thriller gehabt hätte als ein witziger Einschub kommt und vise versa.

Nur ein kleiner Gefallen ist sicherlich kein Meisterwerk geworden, dessen frischer Genre-Mischmasch gleichermaßen Fluch und Segen ist. Es ist auch schwierig den Film zu empfehlen, weil er wohl weder die Anforderungen von Hardcore-Thrillerfans als auch Hardcore-Comedyfans vollends befriedigt. Mir persönlich hat dieses mutige Experiment aber gefallen und allein die gute Chemie des Casts bietet einen Pluspunkt gegenüber der Konkurrenz.

Bohemian Rhapsody

Storyanriss:

Im Jahr 1970 gründen Freddie Mercury (Rami Malek) und seine Bandmitglieder Brian May (Gwilym Lee), Roger Taylor (Ben Hardy) und John Deacon (Joseph Mazzello) die Band Queen. Schnell feiern die vier Männer erste Erfolge und produzieren bald Hit um Hit, doch hinter der Fassade der Band sieht es weit weniger gut aus: Freddie Mercury, der mit bürgerlichem Namen Farrokh Bulsara heißt und aus dem heutigen Tansania stammt, kämpft mit seiner inneren Zerrissenheit und versucht, sich mit seiner Homosexualität zu arrangieren. Schließlich verlässt Mercury Queen um eine Solokarriere zu starten, doch muss schon bald erkennen, dass er ohne seine Mitstreiter aufgeschmissen ist. Obwohl er mittlerweile an AIDS erkrankt ist, gelingt es ihm, seine Bandmitglieder noch einmal zusammenzutrommeln und beim Live Aid einen der legendärsten Auftritte der Musikgeschichte hinzulegen.

Fazit:

Bohemian Rhapsody hat vor seiner Veröffentlichung vor allem Schlagzeilen gemacht, weil es mitten in der Produktion und den Dreharbeiten den Regisseur Bryan Singer verlor. Singer wurde zu diesem Zeitpunkt vorgeworfen vor einigen Jahren einen Jugendlichen sexuell missbraucht zu haben, doch öffentlich gaben sowohl Bryan Singer als auch das Studio die merkwürdige Begründung, dass er einfach nicht am Set erschien und deswegen gefeuert wurde. Singer hingegen bestreitet die Vorwürfe und behauptet er hätte sich um ein schwerkrankes Familienmitglied kümmern müssen. Es soll auch Probleme am Set mit Star Rami Malek gegeben haben. Was letztlich auch stimmen mag, Regisseur Dexter Fletscher – der uns bereits mit dem sehr guten Eddy the Eagle Biopic überzeugen konnte – hat übernommen.

Bohemian Rhapsody ist insgesamt eher ein Wohlfühlfilm geworden, der zwar die Probleme wie die HIV-Erkrankung oder die Probleme innerhalb Queens anspricht, aber auch nur anreißt. Letztlich geht um den Ikonenstatus Queens, ihre Erfolge und natürlich die beliebte Musik. Freddie Mercury wurde grandios von Rami Malek dargestellt. Neben Malek fand ich vor allem Lucy Boynton als die Liebe seines Lebens Mary Austin herausragend. Absolut faszinierend war die detailgetreue Nachbildung einiger Ereignisse. Das Finale, der Life Aid Auftritt in Wembley, war einfach fantastisch und garantiert Gänsehaut. Die Musik spielt neben Malek wohl die zweite Hauptrolle und war wenig überraschend geil. Ich habe den Film nur mit einem Dutzend Menschen gesehen und hatte schon meinen Spaß, aber es gab wohl in Wembley eine Aufführung mit Tausenden Fans, die sicherlich eines der Highlights des Jahres gewesen sein muss für jeden der teilnehmen durfte.

Klare Empfehlung für Bohemian Rhapsody, der meiner Meinung nach alles hält was er verspricht und ein gut gemachtes Biopic ist.

Operation: Overlord

Storyanriss:

Eine amerikanische Soldatentruppe landet am Vortag des D-Days in einem nordfranzösischen Dorf, das von deutschen Truppen besetzt ist, nachdem ihr Flugzeug abgeschossen wurde. Die Alliierten, unter ihnen der von der Army eingezogene Boyce (Jovan Adepo), und Ford (Wyatt Russell), müssen sich nun hinter feindlichen Linien durchschlagen und müssen einen Radarturm zerstören. Nur so können sie ihre Kameraden, die sich am Strand befinden, unterstützen. Doch dann macht Boyce eine schreckliche Entdeckung: Unter einer Kirche haben Nazis ein Labor eingerichtet, in dem sie fürchterliche Experimente durchführen. Und bald stehen sie Gegnern gegenüber, die die Welt noch nie gesehen hat. Obwohl es nicht Boyces Autrag ist, möchte er den Menschen helfen.

Fazit:

Gerüchten zu Folge sollte Operation: Overlord erneut von Produzent J.J. Abrams (Star Wars Episode 7) in sein Cloverfield-Universum eingebunden werden, wie es auch schon zuvor nachträglich mit dem grandiosen 10 Cloverfield Lane und dem diesjährigen, leider sehr enttäuschenden Cloverfield Paradox geschehen ist. Glücklicherweise hat sich dieses Gerücht letztlich nicht bestätigt.

Operation: Overlord steht für sich und kann in einem Genre oder mit seiner Thematik der Zombie-Nazis vor allem mit einem punkten: Budget. Normalerweise werden solche Nischenstreifen super günstig gedreht, doch hier ist mit 38 Millionen mal richtig Budget dahinter und das sieht man. Allein der Anfang ist schon richtig beeindruckend und muss sich nicht sonderlich vor der Kriegsfilm-Konkurrenz verstecken. Die Optik ist Spitze, die Effekte gut und Set-Design sowie Make-Up richtig stark.

Für einen Großteil des Films handelt es sich auch eher um einen Kriegsfilm, der dann akzentuiert und vor allem im letzten Drittel auf schaurig schöne Art und Weise die „Zombie“-Elemente einflechtet. Der Cast war zwar bis auf Kurt Russells Sohn Wyatt Russell eher unbekannt aber nicht weniger gut und überzeugend als wirklich namhafte Darsteller. Ich habe Operation: Overlord sehr genossen und als eine der größten, positiven Überraschungen des Filmjahres abgespeichert. Klare Empfehlung für Genre-Fans.

Bad Times at the El Royale

Storyanriss:

Das heruntergekommene Hotel El Royal an einem Abend in den Sechzigern: Es ist ein merkwürdiger Haufen an Leuten, den der Concierge Mike Miller (Lewis Pullman) heute in Empfang nimmt, bestehend aus dem Priester Daniel Flynn (Jeff Bridges), der Sängerin Darlene Sweet (Cynthia Erivo), dem Staubsaugervertreter Laramie Seymour Sullivan (Jon Hamm) und einer mysteriösen Unbekannten (Dakota Johnson). Jeder dieser Gäste merkt, dass etwas im Hotel ganz und gar nicht stimmt und schon bald wird ihnen klar, dass alles andere als eine normale Nacht im El Royal bevorsteht.

Fazit:

Bad Times at the El Royale ist nicht nur die vermutlich beste Tarantino-Hommage die ich je gesehen habe, sondern auch eine der positivsten Überraschungen im Kinojahr 2018 – zumindest für mich. Trotz abschreckender Lauflänge von saftigen 140 Minuten, fand ich den Film durch die Art und Weise wie er erzählt wurde, nämlich in verschachtelter Kapitelform, die nach und nach mehr Details und Geheimnisse sowie Hintergründe preisgibt, sehr unterhaltsam erzählt.

Kurzweilig wäre vermutlich zu hoch gegriffen, aber mich hat der Film reingesaugt in seine Geschichte. Das Drehbuch, Schauspiel, der Ideenreichtum und die Inszenierung haben mich überzeugt. Ich kann nur jedem raten, keinen Trailer vorab zu sehen und sich im Blindflug auf den Film einzulassen. Bad Times at the El Royale ist am ehesten als eine Kombination aus Tarantinos The Hateful Eight und Reservoir Dog zu beschreiben und wenn euch diese Art Film gefällt, könnt ihr hier nicht viel falsch machen. Drehbuchautor und Regisseur, der unter anderem die Daredevil Serie, Cabin in the Woods & der Marsianer geschrieben hat, liefert einen sehr speziellen aber virtuos inszenierten Film ab, der sich nicht verstecken brauch vor der Genrekonkurrenz.

Venom

Storyanriss:

Als Dr. Carlton Drake (Riz Ahmed), Chef der mysteriösen Life Foundation, in den Besitz eines Organismus außerirdischen Ursprungs kommt, benutzt er diese sogenannten Symbionten, um mit ihnen Experimente an Menschen durchzuführen. Dank des Tipps der Konzern-Insiderin Dr. Dora Skirth (Jenny Slate) bekommt der Reporter Eddie Brock (Tom Hardy) Wind von Drakes fragwürdigen Machenschaften und beschließt – entgegen der Warnung seiner Freundin Anne (Michelle Williams) – der Sache auf den Grund zu gehen, schließlich versucht er schon seit langem, Drake das Handwerk zu legen. Bei seinen Nachforschungen in den Labors der Life Foundation kommt Eddie jedoch selbst mit einem Symbionten in Kontakt, der mit ihm zu einem neuen Wesen verschmilzt: dem mit übermenschlichen Kräften ausgestatteten Venom.

Fazit:

Venom bietet rückblickend wohl eine der skurrilsten Filmgeschichten dieses Jahr. Sonys Versuch mit Venom einen Antihelden mit einem jugendfreien Rating für die große Leinwand zu inszenieren, spaltete die Gemüter. Während er weitestgehend von Kritikern und auch dem Großteil der breiten Masse verrissen wurde, spielt Venom gleichzeitig unfassbar viel Geld an den Kinokassen ein und hört damit auch nicht auf. Noch abstruser wurde das ganze als dieser Film im chinesischen Markt startete und dort sogar mehr Geld einspielte als in jedem anderen Markt weltweit. Mittlerweile steht der Film bei 845 Millionen $ Einnahmen.

Auch ich fand den Film inhaltlich leider ziemlich mies. Abgesehen von Tom Hardys Performance, der grandiose Buddy-Momente mit seinem neuen Kumpel hatte und schauspielerisch so alles rausreißt in dem Film, ist der große Rest leider eine Enttäuschung. Ich hatte mich echt auf Ruben Fleischers neuen Film gefreut, weil ich sein Zombieland liebe, aber wir bekommen den gleichen CGI-Bosskampf wie so üblich in Superheldenfilmen, bekommen den klassichen Evil-CEO Charakter, unterforderte Schauspieler in flachen Rollen und die Action zieht bis auf die erste Sequenz überhaupt nicht, weil man einen der brutalsten Figuren im Comic-Universum so stark zensiert – um sich einer möglichen Kooperation mit Spider-Man keine Steine in den Weg zu legen – das sie einfach keinen Spaß machen.

Er kämpft gegen Leute, die er lieber nicht umbringt, weil diese ja eigentlich nur ihren Job machen und das Leute stören würde, man kämpft in dunklen Räumen und Rauchschwaden, damit man möglichst gar nichts erkennt oder man schneidet halt vorher nur weg und deutet an. Venom war echt schwach und vermutlich der schwächste Comicbuchfilm des Jahres und trotzdem hoffe ich auf einen viel besseren zweiten Teil, der nach diesem gigantischen finanziellen Erfolg sicher sein sollte. Don’t fuck it up, Sony!“

Hell or High Water | Kritik / Review (Oscars 2017)

Nach The Finest Hours aus dem letzten Jahr, vereint Hell or High Water erneut die beiden Darsteller Ben Foster (Inferno) und Chris Pine (Star Trek: Beyond). Der moderne Western, angesiedelt in Texas, wurde von Indi-Regisseur David Mackenzie (Perfect Sense) inszeniert, der sich auch direkt den westernerprobten Nuschel-Dude Jeff Bridges (True Grit) ins Boot holte und ihm prompt eine Oscar-Nominierung einbrachte. Neben dieser Nominierung für Jeff Bridges Darstellerleistung, darf sich Hell or High Water auch über Beachtung in den Kategorien Bester Schnitt, Bestes Originaldrehbuch und natürlich Bester Film freuen.

Storyanriss:

Der geschiedene, zweifache Vater Toby Howard (Chris Pine) und sein frisch aus dem Gefängnis entlassener Bruder Tanner (Ben Foster) versuchen verzweifelt, die Familienfarm im Westen von Texas zu retten. Ihre verstorbene Mutter hinterließ das Anwesen mit erheblichen Schulden bei der Bank, die sie nicht mehr begleichen konnte und weshalb der Zwangsverkauf droht. Die Brüder Howard schrecken auch vor Straftaten nicht zurück, wollen mehrere Banken überfallen, um mit dem erbeuteten Geld zu verhindern, dass ihr Heim und die dazugehörigen Ländereien zurück an den Staat gehen. Allerdings kommen ihnen schnell der Texas Ranger Marcus (Jeff Bridges) und sein Partner Alberto (Gil Birmingham) auf die Spur und eröffnen die Jagd. Geschnappt zu werden, ist für Toby und Tanner jedoch keine akzeptable Option.

 

Fazit:

Gut gefallen hat mir die Kombination aus alten Westernelementen und durchaus sozialkritischen Aspekten der Gegenwart. Im Prinzip ist Hell or High Water eine in eine klassike Bankräuberstory eingeflochtene Sozialkritik mit der Optik und dem Setting eines Western. Die raue Geschichte und der triste Vibe des Films sind echt super eingefangen und konnte mir visuell das geben was ich von so einem Projekt erwarte. Die Atmosphäre ist dicht, die Welt authentisch und die Geschichte ist glücklichweise nicht unnötig aufgeblasen. Der Film fokussiert sich auf ganz klar auf seine Hauptrollen und ihren persönlichen Kampf gegen die Gesellschaft und das System.

Auch der Titel des Films, der eigentlich mal Comancheria war, wurde super gewählt, denn der Begriff „(come) Hell or High Water“ findet sich mit seinen unterschiedlichen Interpretationen gleich mehrfach im Film wieder. Auf der einen Seite beschreibt man damit den Ausdruck „etwas unbedingt zu machen und durchzuziehen, komme was da wolle“ und auf der anderen Seite wird mit der „Hell or High Water„-Klausel in vielen Verträgen geregelt, dass der Kunde/Mieter in jedem Fall die Finanzierung fortsetzen muss, egal auf welche Probleme und Umstände er stoßen mag.

Der größte Pluspunkt des Films sind für mich aber die Darsteller: Ben Foster geht komplett in seiner Figur als kriminelles schwarzes Schaf der Familie auf und Chris Pine beweist, dass in ihm mehr steckt als der typische Hollywood-Schönling. Normalerweise würde man sich fragen, wie es diese beiden ungleichen Männer überhaupt zusammen aushalten, aber Blut ist nunmal dicker als Wasser und das zeigt das stark verbundene Brüdergespann auf beeindruckende Art und Weise. Aber auch die Rolle des zynischen Texas Rangers passt wie die Faust aufs Auge Jeff Bridges, der zwar einmal mehr „sein Ding“ durchzieht und den Film nach vorne pusht.

Insgesamt war Hell or High Water eine nette Abwechslung zum sonstigen Filmalltag und lebt von seinen starken Performances, aber wenn ich ehrlich bin, sehe ich da jetzt keinen Film, der dieses Jahr wirklich eine Chance auf einen Oscar hat oder den ich mir in naher Zukunft nochmal anschauen werde.

Auge um Auge (OT: Out of the Furnace) | Kritik / Review

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Was passiert in Hollywood mit dir als Regisseur, wenn dein Film Oscar-Gewinner hervorbringt? Richtig: du bekommst in der Regel mehr Geld, kannst drehen was du willst und du musst nicht mehr krampfhaft versuchen Stars in deinen Film zu locken, weil sie von ganz allein an deine Tür klopfen und dir das neue Drehbuch aus der Hand reißen. So in etwa könnte es auch bei Scott Cooper gewesen sein, der 2009 Jeff Bridges zum Comeback verhalf und ihm mit der Hauptrolle als abgehalfteter Country-Sänger Bad Blake im Film „Crazy Heart“ den Oscar einbrachte.

So konnte Regisseur Cooper bei seinem neuen Projekt „Auge um Auge“ beziehungsweise „Out of the Furnace“ aus den Vollen schöpfen und eine Besetzungsliste schaffen, die sie wie das Who-is-Who Hollywoods liest. Unter anderem konnte er die Oscar-Gewinner Christian Bale (Kritik – American Hustle) und Forrest Whitaker (Der letzte König von Schottland), sowie die Oscar-Nominierten Woody Harrelson (The Messenger) und Casey Affleck (Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford) verpflichten. Rang und Namen haben auch die Produzenten Leonardo DiCaprio (Kritik – The Wolf of Wallstreet) und Ridley Scott, sodass die Weichen vorab auf Erfolg gestellt waren und ich mich auf den Film gefreut habe.

Storyanriss:

Das Leben in North Braddock, einer kleinen Arbeiterstadt in Pennsylvania, ist trist und bietet nicht viele Aufstiegschancen. Russell Baze (Christian Bale) arbeitet wie schon sein Vater, der inzwischen zum Pflegefall geworden ist, gewissenhaft im Stahlwerk. Er legt Doppelschichten ein um sich und seiner großen Liebe Lena Taylor (Zoe Saldana) ein besseres Leben zu ermöglichen. Gelegentlich fährt er zur Hirschjagd in die Allegheny Mountains oder greift seinem Bruder finanziell unter die Arme. Rodney (Casey Affleck), sein Bruder, ist Soldat, der bereits drei Irakeinsätze hinter sich hat. Der Krieg hat nicht nur physisch sondern auch psychisch Spuren bei ihm hinterlassen. Durch seine Anfälligkeit für Glücksspiel verschuldet er sich beim lokalen Buchmacher John Petty (Willem Dafoe), sodass er für ihn an gefährlichen Hinterhofkämpfen teilnimmt. Durch ein tragisches Ereignis kommt Russell ins Gefängnis und muss nach seiner Freilassung feststellen, dass sich nicht nur vieles verändert hat, sondern Rodney durch seine finanziellen Schwierigkeiten mit dem kriminellen Redneck Harlan DeGroat (Woody Harrelson) an den falschen Geschäftspartner geraten ist.

Russell Baze: Hast du ein Problem mit mir?

Harlan DeGroat: Ich hab mit jedem ein Problem.

Auge-um-Augeblog

Fazit:

Ach man, der Film ist echt schwierig einzuschätzen. Der Cast ist sehr hochkarätig besetzt und kann überzeugen. Christian Bale wie immer sehr stark, Casey Affleck überrascht als seelisch mitgenommener Kriegsveteran und Woody Harrelson zeigt als fieser Psychopathen Redneck warum er zu meinen Lieblingsschauspielern gehört. Leider waren die Schauspieler auch die Einzigen, die ihr Potential ausschöpfen konnten. Die Marketing- und Trailermaschinerie suggeriert mit ihrem Trailer zu „Auge um Auge“ einen actionreichen Rachethriller, dessen Tempo er zu keinem Zeitpunkt auch nur ansatzweise erreicht. Ganz im Gegenteil ist der Film über sehr weite Strecken ruhig erzählt und nimmt sich viel Zeit für relativ wenig Handlungsfortschritt. Trotzdem empfand ich diese Blenderei der Industrie für einigermaßen annehmbar, weil sie so den Charakteren mehr Tiefe gab und der Cast beweisen konnte wie gut er ist. Womit ich mich aber nicht arrangieren konnte, war letztlich das Ende, beziehungsweise die letzten zwanzig Minuten. Der Film hat bedauerlicher weise nicht den Weg eingeschlagen wie ich es gehofft und erwartet habe, sondern verschenkt hier maßlos und fährt „Auge um Auge“ irgendwie gegen die Wand. Schade.

  • Film: 2,5/5
  • Kinoerlebnis: kein Profit
  • Empfehlung: DVD-Abend oder Free-TV reichen vollkommen für diesen Film.