The Trial of the Chicago 7 | Kritik / Review (Oscars 2021)

Storyanriss:

Chicago, 1968: Es kommt vermehrt zu zunächst friedlichen, von der Hippie-Kultur geprägten Demonstrationen rund um einen Parteitag der Demokraten, die sich vor allem gegen den Vietnamkrieg richten. Als die Polizei aber schließlich eine Ausgangssperre verhängt und mit aller Kraft durchsetzt, kommt es fünf Tage und Nächte lang zu gewalttätigen Krawallen. Hunderte Menschen werden in dem Gefecht zwischen der mit Tränengas und Schlagstöcken vorgehenden Polizei und den Demonstranten verletzt – auch Journalisten beklagen, von Polizisten niedergeknüppelt worden zu sein. Ihre Kameras und Filme: zerstört und beschlagnahmt. Doch auch wenn der Stab von US-Präsident Lyndon B. Johnson die Verantwortung für die Ausschreitungen bei der Polizei sieht, werden sieben vermeintliche Rädelsführer der Unruhen vor Gericht gestellt. Die Angeklagten u.a. Abbie Hoffman (Sacha Baron Cohen), Jerry Rubin (Jeremy Strong), Tom Hayden (Eddie Redmayne) und Bobby Seale (Yahya Abdul-Mateen) werden beschuldigt, die Krawalle bewusst provoziert zu haben – und müssen sich monatelang vor Gericht stellen, während zahlreiche Aktivisten und Kulturschaffende die Einstellung des Verfahrens mit weiteren Protesten fordern.

Fazit:

Aaron Sorkin (The Social Network, Steve Jobs) ist der vielleicht bekannteste Drehbuchautor unserer Zeit und für mich auch der beste. Ich liebe seine Stakkato-Dialoge, die so kein anderer vermag zu schreiben. Es ist klasse wie er es schafft, trotz komplexer und komplizierter Stoffe über mehrere Zeitebenen, immer einen Fluss zu schaffen, den man letztlich nur als leichtfüßig und elegant beschreiben kann. Selbst wenn ein Film 2,5h geht, hat man mit ihm nie das Gefühl, dass ein Film zu lang oder gar dröge ist.

Nach dem herausragenden Molly’s Game hat Sorkin für Netflix und The Trial of the Chicago 7 wieder auf dem Regiestuhl Platz genommen. Dass er spannende Gerichtsdramen kann, bewies er bereits vor 30 Jahren bei seinem Debüt mit Eine Frage der Ehre – auch wenn ihr die Wahrheit nicht vertragen könnt! In The Trial of the Chicago 7 vereint Sorkin wieder ein Hammerensemble, das auch hier unter seiner Führung wie gewohnt brilliert. Allen voran Sacha Baron Cohen, bei dem mir direkt klar war, dass er eine Nominierung für den Besten Nebendarsteller bekommen wird – auch wenn er nun nicht mehr die Favoritenrolle hat.

Dass das Gerichtsverfahren um eine Gruppe Anti-Kriegs-Aktivisten nach einer aus dem Ruder gelaufenen Demonstration damals die reinste Farce war und offensichtlich politisch missbraucht wurde, fangen Sorkin und sein Team virtuos ein und kommt vor allem immer wieder gut zur Geltung, wenn der Richter – stark gespielt von Frank Langella – mal wieder im Alleingang ein faires Verfahren blockiert.

The Trial of the Chicago 7 ist ein 129 Minunten langes, aber kurzweiliges Gerichtsdrama mit famosen Cast und starkem Drehbuch, dem ich von den 6 Oscar Nominierungen hauptsächlich Chancen für Sorkin einräume.

Minari – Wo wir Wurzeln schlagen | Kritik / Review (Oscars 2021)

Storyanriss:

Jacob (Steven Yuen) und Monica Yi (Yeri Han) sind mit ihrer Tochter Anne (Noel Cho) und ihrem Sohn David (Alan S. Kim) aus Südkorea nach Amerika immigriert. Dort leben sie zuerst in Kalifornien, wo Mutter und Vater mit dem Sortieren von Küken nach Geschlecht ein mageres Einkommen verdienen. Jacob träumt jedoch von einer eigenen Farm und siedelt deswegen mit seiner Familie schließlich nach Arkansas über, wo Grundbesitz günstiger ist. Dort lebt die Familie fortan in dem Wohnwagen, in dem schon der vorherige Besitzer des Landes lebte und an dem Versuch scheiterte, eine Farm zu gründen. Und auch für Familie Yi ist das leichter gesagt als getan: Monica ist am Ende ihrer Kräfte und Jacob verzweifelt daran, dass er nicht für seine Familie sorgen kann. Immerhin kann die aus Südkorea nachgereiste Großmutter der Kinder, Soonja (Youn Yuh-jung), die Familie etwas unterstützen.

Fazit:

Regisseur und Autor Lee Isaac Chung erzählt in Minari nicht nur seine eigene Geschichte, basierend auf seinen Kindheitserinnerungen, sondern auch ein weiteres Kapitel rund um den Mythos des American Dreams – eben jenen amerikanischen Traum, der jedem hartarbeitenden Amerikaner einräumt vom Tellerwäscher zum Millionär aus eigener Kraft zu werden. Das koreanisch-amerikanische Familiendrama folgt dem letztjährigem Oscar-Sieger „Parasite“ von Bong Joon-Ho und kann sich neben viel Liebe auf Filmfestivals wie dem Sundance Festival vor allem auch über gleich 6 Oscar-Nominierungen freuen.

Minari gelingt es die amerikanische und koreanische Kultur zu verweben ohne dabei in die Klischeefalle zu tappen und wird meiner Meinung nach vor allem durch die sehr starke Chemie und dem tollen Schauspiel aller Beteiligten getragen. Egal ob es sich dabei um das Zusammenspiel des The Walking Dead Stars Steven Yeun und seiner Filmfrau Yeri Han handelt oder um die Kinderdarsteller, die immer vor allem dann auftrumpfen, wenn sie mit der kautzigen Großmutter, gespielt von Oscarfavoritin Yuh-jung Youn sich Szenen teilen.

Lee Isaac Chung gelingt hier ein ganz ruhiges, ehrliches Drama mit starken Bildern über den amerikanischen Traum, das vor allem von seinen unaufgeregten aber stark aufspielenden Darstellern lebt und sich gerade dort Hoffnungen auf einen Oscar machen darf.

And the Oscar 2020 goes to..

And the Oscar 2020 goes to..

Es ist endlich wieder soweit: in wenigen Stunden werden die Oscars in Los Angeles verliehen. Es ist mittlerweile die 92. Verleihung des prestigeträchtigsten Filmpreises der Welt, den Academy Awards. Mein Event-Highlight des Jahres.

Oscars 2020 – was ist passiert

Im Gegensatz zu den letzten Jahren, wo wir an diese Stelle über #metoo, #OscarsSoWhite, den Rausschmiss von Hosts und die merkwürdigen Ideen der Academy, die sinkenden Zuschauerzahlen zu stoppen, gesprochen haben, bleibt es dieses Jahr relativ ruhig. Keine großen Skandale vorab, keine bahnbrechenden Ankündigungen.

Wie schon im letzten Jahr wird man auch dieses Mal eine Show ohne Host durchführen. So erhofft man sich natürlich den Aufwärtstrend des letzten Jahres und die positiven Kritiken zur Verleihung fortzuführen.

Vermutlich wird auch Grammy-Abräumerin Billie Eilish auftreten und den neuen Bond-Song präsentieren, was definitiv ein wenig ungewöhnlich ist. Normalerweise sind die Showeinlagen auf die Nominierungen der Kategorie Bester Filmsong beschränkt.

Auch Abseits von der eigentlich Verleihung setzt die Academy auf Veränderung und passt ihr Essen an. Erstmals wird der deutsche Koch Wolfgang Puck ein hauptsächlich veganes Menü für Hollywoods Elite kreieren.

Auch das jährliche In Memoriam wird heute Nacht vermutlich ein Stückweit emotionaler sein. Nicht nur weil vor wenigen Tagen Legende Kirk Douglas mit 103 Jahren gestorben ist, Luke Perry völlig unerwartet verstarb, sondern auch weil LA’s Sohn Kobe Bryant, der ebenfalls ein Oscar-Gewinner war, tragisch verunglückte und die Oscars wie jedes Jahr in LA verliehen werden.

Snubs & Suprises

Biggest Snubs:
Bester Hauptdarsteller: Adam Sandler (Uncut Gems), Taron Egerton (Rocketman) oder Robert De Niro (The Irishman), Eddie Murphy (Dolemite is my Name)
Beste Hauptdarstellerin: Lupita Nyongo (Wir) und Awkwafina (The Farewell)
Beste Nebendarstellerin: Jennifer Lopez (Hustlers)
Beste Regie: eine Frau, bspw. Greta Gerwig, Alma Har’el, Lulu Wang oder Olivia Wilde
Filme: Dolemite is My Name, Booksmart, Uncut Gems, The Farewell und The Lighthouse nahezu komplett ignoriert

Biggest Surprises:
Joker bekommt trotz Kontroverse 11 Nominierungen
Beide Päpste für The Two Popes nominiert
Netflix auf Rekordhoch mit The Irishman und Marriage Story
Kathy Bates kickt J.Lopez und Parasite-Cast raus
Scarlett Johansson mit 2 Noms
Klaus sticht Frozen 2 aus für Bester Animationsfilm

Beste Nebendarstellerin / Actress in a Supporting Role

Kathy Bates (Richard Jewell) | Florence Pugh (Little Women) | Margot Robbie (Bombshell) | Laura Dern (Marriage Story) | Scarlett Johansson (Jojo Rabbit)

Wahrscheinlich: Laura Dern / Wunsch: Scarlett Johansson
Laura Dern ist hier definitiv in der Favoritenrolle und gilt für die meisten als sicherer Sieger. Für mich gibt Scarlett Johanssons Rolle in JoJo Rabbit ein wenig mehr her und durch die Doppelnominierung, sehe ich ihr Chancen hier höher, weil die Hauptrollen-Oscars sicherlich an Renée Zellweger geht.

Bester Nebendarsteller / Actor in a Supporting Role

Tom Hanks (Der wunderbare Mr.Rogers) | Anthony Hopkins (The Two Popes) | Al Pacino (The Irishman) | Brad Pitt (Once Upon a Time in Hollywood) | Joe Pesci (The Irishman)

Wahrscheinlich: Brad Pitt / Wunsch: Brad Pitt
Ich denke Brad Pitt ist hier der Favorit im Rennen um den Oscar, dicht gefolgt von Pesci & Al Pacino aus The Irishman. Da sich beide aber zwangsläufig gegenseitig Stimmen wegnehmen werden, sollte meine Wunschkandidat Pitt letztlich für seine Performance als Cliff Booth abräumen.

Beste Hauptdarstellerin / Actress in a Leading Role

Cynthia Erivo (Harriet) | Charlize Theron (Bombshell) | Saoirse Ronan (Little Women) | Scarlett Johansson (Marriage Story) | Renée Zellweger (Judy)

Wahrscheinlich: Renée Zellweger / Wunsch: Renée Zellweger
Zellweger hat nahezu jeden Preis in den letzten Wochen abgeräumt und wird somit auch sehr wahrscheinlich heute Nacht den Oscar gewinnen für Ihre Darstellung von Hollywood-Ikone Judy Garland. Ihre Konkurrenz ist groß, vor allem mit Scarlett Johansson oder Saoirse Ronan, die jetzt bereits zum vierten Mal nominiert ist und das gerade mal mit 25 Jahren, sollte langsam mal ausgezeichnet werden. Vielleicht sieht das auch die Academy heute so – auch wenn Ihre Rolle meiner Meinung nach nicht ihre beste war.

Bester Hauptdarsteller / Actor in a Leading Role

Antonio Banderas (Pain and Glory) | Jonathan Pryce (The Two Popes) | Leonardo DiCaprio (Once Upon a Time in Hollywood) | Adam Driver (Marriage Story) | Joaquin Phoenix (Joker)

Wahrscheinlich: Joaquin Phoenix / Wunsch: Joaquin Phoenix
Seit Oktober galt Phoenix als sehr aussichtsreicher Kandidat für den Sieg und daran hat sich nicht viel geändert. Ich würde es mir auch wünschen, da seine Performance sehr außergewöhnlich war. Dennoch sollte man einen Leonardo DiCaprio und vor allem Adam Driver nicht unterschätzen. Sie lauern auf den Überraschungssieg.

Bester Film / Best Picture

Jojo Rabbit | The Irishman | Little Women | Marriage Story | Joker | Le Mans 66 | Once Upon a Time in Hollywood | 1917 | Parasite

Wahrscheinlich: 1917 / Wunsch: Parasite
Der Zweikampf wird sich vermutlich zwischen den großen Favoriten 1917 und Tarantinos Once Upon a Time in Hollywood entscheiden, wünschen würde ich mir aber ein Sieg für den koreanischen Parasite. Once Upon folgt in meiner persönlichen Rangliste.

Bonus-Kategorien

Beste Regie / Directing

Wahrscheinlich: Sam Mendes (1917) / Wunsch: Bong Joon Ho (Parasite)
Sam Mendes und 1917 surfen auf der Erfolgswelle, wünsche würde ich mir aber Bong Joon Ho oder endlich auch Tarantino

Bestes adaptiertes Drehbuch / Adapted Screenplay

Wahrscheinlich: Little Women / Wunsch: JoJo Rabbit
Wenn ein Stoff wie Little Women bereits etliche Male verfilmt und in Form von Serien verarbeitet wurde, dann spricht das für seine Beliebtheit und Qualität und den damit verbundenen Favoritenstatus. Da mir Little Women aber nicht so richtig gut gefiel, fällt mein Wunsch eher auf Taika Waititis Adaption zu Jojo Rabbit.

Bestes Originaldrehbuch / Original Screenplay

Wahrscheinlich: Once upon a Time in Hollywood / Wunsch: Parasite
Tarantino wird vermutlich wie immer beim Besten Film sowie Regisseur übergangen werden, aber für seine Drehbücher gilt er immer auch als Favorit. Ich wäre mit einem Sieg Tarantinos sehr zu frieden, wünsche mir aber Parasite für dieses runde Script ohne Längen.

Zusammenfassung aller Kategorien

Wunsch:
Scarlett Johansson (Nebendarstellerin)
Brad Pitt (Nebendarsteller)
Renée Zellweger (Hauptdarstellerin)
Joaquin Phoenix (Hauptdarsteller)
Parasite (Bester Film)

Bong Joon Ho (Beste Regie)
Jojo Rabbit (adapt. Drehbuch)
Parasite (Orig.drehbuch)

Wahrscheinlich:
Laura Dern (Nebendarstellerin)
Brad Pitt (Nebendarsteller)
Renée Zellweger (Hauptdarstellerin)
Joaquin Phoenix (Hauptdarsteller)
1917 (Bester Film)

Sam Mendes (Beste Regie)
Little Women (adapt. Drehbuch)
Once Upon a Time in Hollywood (Orig.Drehbuch)

Parasite | Kritik / Review (Oscars 2020)

Storyanriss:

Die vierköpfige Familie Kim ist schon sehr lange arbeitslos, weshalb der Vater Ki-taek (Kang-ho Song) zusammen mit seiner Frau Chung-sook (Hyae Jin Chang) und seinen Kindern Ki-woo (Woo-sik Choi) und Ki-jung (So-dam Park) in einem runtergekommenen Keller unter ärmlichen Bedingungen haust. Wenn sie sich nicht gerade mit Aushilfsjobs, wie dem Zusammenfalten von Pizzakartons über Wasser halten, versuchen sie in die hintersten Winkel ihrer Behausung zu kommen, um etwas vom WLAN der anderen Mitbewohner abzugreifen. Als der jüngste Sprössling es schafft, bei der gut situierten Familie Park einen Job als Nachhilfelehrer an Land zu ziehen, bietet das der Familie einen Ausweg aus der Arbeitslosigkeit.

Fazit

Virtuos inszeniertes Meisterwerk von Bong Joon Ho, der zuletzt mit Filmen wie Snowpiercer & Okja zwar immer coole Ideen hatte, doch in letzter Konsequenz immer Etwas fehlte, um das Ganze richtig rund zu machen. Diese Meisterleistung und Rückkehr zu alter Stärke gelingt ihm dieses Mal mit Parasite meines Erachtens nach zu hundert Prozent.

Weg vom hochkarätigem Hollywoodcast seiner letzten Projekte, erzählt Bong Joon Ho hier eine kleine, aberwitzige und gleichzeitig bedrückende koreanische Geschichte über die größer werdende Schere zwischen arm und reich. Das alles bis auf seinen Stammschauspieler Kang-ho Song mit einem für westliche Verhältnisse eher unbekanntem Cast.

Parasite ist einer dieser perfekt in Szene gesetzten Filme, die durch die Fähigkeiten an der Kamera, Ausstattung und das Set-Design aus jeder Einstellung ein Bildschirmschoner-Motiv entstehen lässt. Zum Beispiel die Wohnung der Protagonisten oder Stichwort „Regenfall“ stellten für mich immer wieder optische Highlights dar. Das Schauspielensemble spielte sehr stark auf und gerade die Schauspielerinnen stachen durch ihr Spiel heraus und brachten diese einzigartige Geschichte überragend auf die Leinwand.

Mir gefiel eben genanntes Drehbuch besonders gut, weil es neben der kreativen Geschichte mit seinem straffen, nahezu perfektem Pacing dafür sorgte, dass sich dieser 2h-Film für mich zu keinem Zeitpunkt bei meinen beiden Kinobesuchen so anfühlte. Oft neigt das asiatische Kino eher zu einem gemächlichen Tempo – bei Parasite sucht man das vergebens.

Wenn möglich würde ich die original koreanische Version mit Untertiteln vor der deutsch synchronisierten Variante bevorzugen, aber dennoch kann ich Parasite nur jedem Filmfan, der offen für koreanisches Kino ist, wärmstens empfehlen. Bestenfalls keine Trailer sehen und einfach überraschen lassen. Das Filmfestival in Cannes hat er bereits gewonnen, den Favoritenstatus bei den Auslands-Oscars hat er für mich nun auch Inne.

Parasite war die #1 auf meiner Top-Liste 2020 und bleibt auch unter den Oscar-Nominierten mein Favorit. Ich freue mich riesig, dass Parasite neben der Auslands-Oscar-Kategorie auch bei den Großen um den Besten Film mitspielen darf. Dort könnte er am Ende noch am ehesten in den Zweikampf von Once Upon a Time in Hollywood und 1917 eingreifen und der strahlende Dritte werden. Auch in der Regiekategorie stehen die Chancen Bong Joon Hos am Ende zu triumphieren gar nicht mal so schlecht.

Parasite bestätigt wieder einmal, wie gut koreanisches Kino sein kann und ist ein klares Film-Highlight des letzten Jahres.

1917 Kritik / Review (Oscars 2020)

Storyanriss:

Der Erste Weltkrieg befindet sich im April 1917 auf seinem grausamen Höhepunkt. In Nordfrankreich belagern sich deutsche und britische Einheiten in ihren Schützengräben, ohne auch nur einen Zentimeter vorzurücken. Die Moral der Truppen wird zunehmend schlechter. In dieser Situation werden die in Nordfrankreich stationierten, britischen Soldaten Schofield (George MacKay) und Blake (Dean-Charles Chapman) von ihrem Vorgesetzten General Erinmore (Colin Firth) mit einem ebenso dringlichen wie gefährlichen Auftrag bedacht: Sie sollen das zerbombte Niemandsland zwischen den deutschen und britischen Schützengräben durchqueren und eine Nachricht an ein anderes britisches Bataillon überbringen. Dieses ist nämlich kurz davor, in einen deutschen Hinterhalt und damit in den Tod zu stürmen. Wenn die beiden jungen Rekruten es nicht rechtzeitig schaffen, werden mehr als 1.500 britische Soldaten sinnlos ihr Leben verlieren – darunter auch Blakes älterer Bruder.

Fazit:

1917 ist der Überflieger der Stunde. Der Kriegsfilm von Sam Mendes kam erst relativ spät ins Oscar-Rennen und surfte seitdem auf einer Erfolgswelle von Award zu Award.

Ich muss zugeben, dass dieser Erfolg völlig überraschend für mich kam. Als es vor Monaten die ersten Trailer gab zum Film, war ich alles andere als angetan. Absolut belanglos wirkte der 1917 für mich. „Ein weiterer Kriegsfilm“ dachte ich, doch zu diesem Zeitpunkt wusste ich noch nicht, was der Kniff des Filmes sein würde. Denn was den Film auszeichnet ist seine Machart. Sam Mendes und Kameralegende Roger Deakins inszenieren hier einen Film im One-Shot. Zumindest in der Illusion eines One-Shots.

Ähnlich wie bei Birdman, gibt es zwar Schnitte, aber durch Editing und handwerklichen Tricks, gelingt es hier diesen Film wie aus einem Guss wirken zu lassen. Ich liebte bereits Birdman und finde diese Idee sehr spannend. Vor allem ein Kriegsfilm, mit Actionszenen, Explosionen, hunderten Statisten, riesigen Kulissen/Sets wirft unfassbar viele Hürden auf. Das Filmexperiment ist sehr anspruchsvoll und wurde meisterhaft umgesetzt.

Das Drehbuch per se gibt jetzt nicht so viel her im Vergleich zu Konkurrenz und die Nominierung kann ich nicht so ganz nachvollziehen, aber in allen anderen Aspekten trumpft 1917 groß auf. Wenn Deakins nicht nach Blade Runner 2049 erneut einen Oscar für die Kameraarbeit bekommt, dann wäre ich sehr überrascht. Soundtrack, Make-Up, Production Design, Visuelle Effekte, Kamera und Regie tragen so sehr zu dieser Atmosphäre bei und lässt uns für zwei Stunden auch die Grausamkeiten dieses Krieges glaubhaft spüren.

1917 gilt aktuell in vielen Kategorien, unter anderem für Bester Film und Beste Regie, als großer Favorit. Für mich ist 1917 ein herausragendes Achievement in Film und sehr gut, aber dennoch nicht mein persönlicher Favorit dieses Jahr.

Once Upon a Time in Hollywood | Kritik / Review (Oscars 2020)

Storyanriss:

1969: Die große Zeit der Western ist in Hollywood vorbei. Das bringt die Karriere von Western-Serienheld Rick Dalton (Leonardo DiCaprio) ins Straucheln. Der Ruhm seiner Hit-Serie „Bounty Law“ verblasst mehr und mehr. Gemeinsam mit seinem Stuntdouble, persönlichen Fahrer und besten Freund Cliff Booth (Brad Pitt) versucht Dalton, in der Traumfabrik zu überleben und als Filmstar zu neuem Ruhm zu gelangen. Als ihm Filmproduzent Marvin Schwarz (Al Pacino) Hauptrollen in mehreren Spaghetti-Western anbietet, lehnt Rick ab – er will partout nicht in Italien drehen und von dem Sub-Genre hält er auch nichts. Stattdessen lässt er sich als Bösewicht-Darsteller in Hollywood verheizen und wird regelmäßig am Ende des Films von jüngeren, aufstrebenden Stars vermöbelt. Während die eigene Karriere stockt, zieht nebenan auch noch der durch „Tanz der Vampire“ und „Rosemaries Baby“ berühmt gewordene neue Regiestar Roman Polanski (Rafal Zawierucha) mit seiner Frau, der Schauspielerin Sharon Tate (Margot Robbie), ein. Derweil will Cliff seinem alten Bekannten George Spahn (Bruce Dern) einen Besuch in seiner Westernkulissenstadt abstatten. Dort hat sich inzwischen die Gemeinde der Manson-Familie eingenistet. Mit Pussycat (Margaret Qualley) hat der Stuntman schon Bekanntschaft gemacht

Fazit:

Tarantino hat wieder abgeliefert. Man weiß relativ genau was man von einem typischen Tarantinofilm zu erwarten hat und trotzdem gelingt es ihm das Publikum gerade dieses Mal ein wenig an der Nase herumzuführen. Als bekannt wurde, dass Once Upon a Time in Hollywood zur Zeit der Manson Morde spielen würde, hat man sich die abstrusesten Varianten vorstellen können, doch am Ende kam alles ganz anders.

Hauptsächlich geht es einfach um Rick Dalton, einem Filmstar, dessen Karriere auf dem absteigenden Ast ist und seinen treuen Freund und Stuntdouble Cliff Booth. Die Wege der beiden kreuzen dabei ab und zu die der Manson-Killer.

Wie gewohnt holt Quentin Tarantino mit seinem Drehbuch samt toller, bissiger Dialoge alles aus seinen Allstars raus. Allen voran natürlich die beiden Hauptdarsteller Leonardo DiCaprio und Brad Pitt. Während Brad Pitt mit seiner knallharten und kompromisslosen Art die meisten Lacher des Publikums auf seiner Seite hat, kann DiCaprio vor allem mit sehr nuancierten Momenten glänzen und gleichzeitig eine gewisse Hollywood-Filmbranche-Metaebene bedienen wie kein Zweiter. Inszenatorisch ist der Film auch eine Wucht, die eigens angefertigten Straßenzüge des 60er Jahre Hollywoods bzw. Los Angeles sowie die dazugehörigen Autos sind wunderschön.

Zusätzlich gefielen mir dann auch besonders die Szenen, wenn DiCaprio am Set ist und wir quasi einen Film im Film im Film bekommen und so mit den Ebenen bricht. Die Szene auf der Ranch der Masonjünger war auch einfach super spannend inszeniert und dann wäre da noch das Finale.

Die letzten 15 Minuten, die noch mal alle Erwartungen über den Haufen werfen und meiner Meinung nach einem perfekten Ende zu diesem Film nah kommt.

Hollywood und die Academy insbesondere liebt Filme über Hollywood und die Filmbranche. Once Upon a Time in Hollywood könnte zu den größten Gewinnern des Abends werden.

Jojo Rabbit | Kritik / Review (Oscars 2020)

Storyanriss:

Deutschland während des Zweiten Weltkrieges: Der kleine Jojo Betzler (Roman Griffin) ist ein überzeugter Nazi, der nicht nur in der liebevollen Obhut seiner alleinerziehenden Mutter Rosie (Scarlett Johansson), sondern natürlich in der des ganzen Reichs aufwächst. Gerade erst hat er im Nazi-Ferienlager gelernt, wie man Granaten richtig wirft und wie wichtig es ist, dass viele blonde Nachkommen gezeugt werden. Jojo kann es schon gar nicht erwarten, selbst Mitglied der Partei zu werden, und hat sogar einen besonderen besten Freund: Adolf Hitler (Taika Waititi) persönlich – na ja zumindest fast, denn Jojo bildet sich Hitler nur ein. Aber das ist noch besser, schließlich ist der Führer immer sofort zur Stelle, wenn Jojo dringend Rat braucht. Und den benötigt er bald sehr dringend. Denn er findet heraus, dass seine Mutter ein jüdisches Mädchen versteckt: Elsa (Thomasin McKenzie). Und die verwirrt Jojo mächtig. Warum ist sie kein Monster, wie es doch alle Juden angeblich sind? Um die Wahrheit herauszufinden und ein Buch über sie zu schreiben, fängt Jojo nach anfänglicher Angst an, sich mit Elsa zu unterhalten

Fazit:

Taika Waititi, der Regisseur mit dem ungewöhnlichen Namen, war Cineasten bereits spätestens mit der fantastischen Vampir-Komödie 5 Zimmer, Küche, Sarg auf dem Radar erschienen. Doch seit dieser Filmperle aus dem Jahr 2014 sind viele Jahre ins Land gezogen und Waititi hat sich in etlichen Projekten als Regisseur und Drehbuchautor den Respekt der Filmbranche erarbeitet und auch den Mainstream mit Filmen wie Thor3 für sich gewonnen.

Erstmals ist der neuseeländische Regisseur nun auch mit einem Spielfilm im Rennen um die begehrten Goldjungen. Für gleich 6 Oscars ist Jojo Rabbit nominiert. Die bittersüße Satire spielt zur Zeit des 2.WK und hat Adolf Hitler, gespielt von Waititi persönlich, als imaginären Freund des Hauptdarstellers – sicherlich ein interessanter Kniff und vor allem ein riskanter. Schnell kann man hier eine Grenze überschreiten und es sich mit allen Parteien versauen.

Doch Waititi gelingt dieser waghalsige Spagat. Wenn er in der einen Szenen den Zuschauer noch zum Lachen bringt, kann dir genauso gut im nächsten Augenblick das Essen im Halse stecken bleiben. JoJo Rabbit kann in einigen Passagen trotz der sehr angespannten und schwierigen zeitlichen Einordnung Elemente von Leichtigkeit und Euphorie versprühen, wenn beispielsweise Scarlett Johansson ihrem Sohn spielerisch die Welt erklärt und auf der anderen Seite wird einem die verzwickte, verzweifelte Situation einiger Figuren nur zu deutlich bewusst gemacht.

Scarlett Johansson ist es auch, die für mich den wichtigsten Charakter des Films verkörperte und einfach nur toll besagten Balanceakt meistert. Aber auch alle anderen Darsteller, egal ob namenhafte Nebendarsteller wie Oscargewinner Sam Rockwell, Rebel Wilson oder Stephen Merchant oder die Newcomer Roman Griffin Davis und Thomasin McKenzie brillieren.

JoJo Rabbit ist ein außergewöhnlicher Film mit starken Talenten vor und hinter der Kamera.

The Irishman | Kritik / Review (Oscars 2020)

Storyanriss:

Frank Sheeran (Robert DeNiro) arbeitet viele Jahre als Geldeintreiber und Problemlöser für den Mafiaboss Russell Bufalino (Joe Pesci). Vor seiner Zeit als Gangster fuhr Frank den Wagen einer Fleischerei und kämpfte davor im Zweiten Weltkrieg unter anderem in Sizilien gegen die Achsenmächte, wo er auch die italienische Sprache erlernte, nicht wissend, dass diese seine Eintrittskarte in die Welt des organisierten Verbrechens sein sollte. Auf Empfehlung Russels stellt ihn der mit der Cosa Nostra verbandelte Gewerkschaftsführer Jimmy Hoffa (Al Pacino) als seinen Bodyguard ein. Zwischen den beiden Männern entwickelt sich erst Respekt, dann eine enge Freundschaft. Je mehr Jahre ins Land ziehen, desto höher steigt Frank auch in den Rängen der Mafia auf und desto grausamer werden die Verbrechen, die er verübt.

Fazit:

Nach Marriage Story ist The Irishman die zweite Netflixproduktion dieses Jahr, die auf große Awardjagd geht. Martin Scorsese, ein Altmeister des Regiefachs, eine Legende in Hollywood brachte uns viele tolle Filme – darunter große Gangsterepen wie GoodFellas und Casino.

Und dennoch wollte kein Studio sein neuestes Projekt The Irishman finanzieren, zu groß war das Risiko nach dem Kassengift Silence die benötigten 160+ Millionen letztlich wieder einzuspielen, doch welch glückliche Zeit für Filmschaffende rund um den Globus, dass Streaminggigant Netflix so zemlich egal ist, ob sie Geld einnehmen oder nicht. Mit vollen Händen wirft der Marktführer seit Jahren das Geld raus, um etliche Projekte zu finanzieren.

Die 200 Millionen Budget, investierte Scorsese vor allem in die Tricktechnik, seine Altstars digital zu verjüngen, damit sie ihre Rollen im Alter von 30, 50 und 70 spielen können. Abseits davon fragte ich mich aber schon, wo genau das ganze Geld hinfloss, denn auch wenn man sich das Who-is-Who der Gangsterfilme einkaufte, bezweifel ich gigantische Gagen für die drei Legenden. De Niro und Pacino haben in den letzten Jahren auch viele Quatschfilme mit deutlich weniger finanzieller Power gedreht und Joe Pesci war bereits im Schauspielruhestand und kam nur für seine Freunde wieder.

Und diese drei sind es auch, die für mich den größten Reiz an diesem Film ausgemacht haben. Man saugt einfach jede Minute mit ihnen auf und ich für meinen Teil war froh, im Jahr 2019 noch einmal einen solchen Film mit diesen Helden zu sehen unter der Leitung Scorseses. Vor allem Pacinos Rolle bringt so einige Highlights mit sich.

Dennoch muss ich auch ganz klar sagen, dass The Irishman meine gigantischen Hoffnungen, die sich über 1,5 Jahre zuvor aufbauten, nicht erfüllen konnte. Am Ende fehlte mir dann doch etwas an der Geschichte und wenn ich keinerlei Probleme damit hatte den 209 Minuten langen Film in mehreren Etappen mit Unterbrechungen zu schauen, dann sagt das entweder etwas über meine Aufmerksamkeitsspanne oder über Länge, Pacing und Spannung des Films aus.

The Irishman hat es trotz seiner guten Qualität nicht in meiner Top15 des letzten Jahres geschafft und ist auch nicht mein Favorit auf den Oscar als Bester Film.

Little Women | Kritik / Review (Oscars 2020)

Storyanriss:

Die vier March-Schwestern Jo (Saoirse Ronan), Meg (Emma Watson), Amy (Florence Pugh) und Beth (Eliza Scanlen) wachsen Mitte des 19. Jahrhunderts in der von starren Geschlechterrollen dominierten Gesellschaft der Vereinigten Staaten auf. Ihr Vater dient im Bürgerkrieg, ihre Mutter (Laura Dern) kümmert sich um die Familie, arbeitet und hilft im Dorf wo sie kann. Je älter die vier Schwestern werden, desto deutlicher erkennen sie, welche Hindernisse ihnen bei ihrer Selbstbehauptung als Frauen in den Weg gelegt werden. Gleichzeitig wird ihnen dadurch aber auch klar, wie sehr sie sich letzten Endes doch unterscheiden. Während die stolze Jo etwa Schriftstellerin werden will und das gesellschaftliche Rollendiktat als Gemahlin und Mutter ablehnt, folgt Meg ihrem Herzen in die Ehe. Amy hingegen will ihre Einzigartigkeit durch die Malerei ausdrücken und studiert in Frankreich. Männer interessieren die vier Frauen weniger. Lediglich der Nachbarsjunge Laurie (Timothée Chalamet), der sich in Jo und die Familie March verliebt, findet schnell einen Platz bei den Marchs.

Fazit:

Gestern habe ich euch „Marriage Story“ von Noah Baumbach vorgestellt und heute folgt seine Frau Greta Gerwig mit ihrer neuen Regiearbeit Little Women, einer weiteren Adaption eines Louisa May Alcott Stoffes.

Little Women ist der letzte Film unter den Nominierten den ich gesehen habe und zeitgleich für mich der schwächste Teilnehmer im Feld. Am stärksten positiv in Erinnerung geblieben ist für mich der Cast. Saoirse Ronan an der Spitze kann eh nichts falsch machen und liefert wie gewohnt sehr stark ab. Auch wenn es nicht meine liebste Performance unter allen ihren oscarnominierten Rollen der letzten Jahre war, räume ich ihr Chancen ein, da sie trotz ihres noch jungen Alters bereits so häufig nominiert wurde und immer leer ausging. Irgendwann muss die Academy wie bei Leonardo DiCaprio einknicken und diese vielen herausragenden Leistungen auszeichnen.

Auch ihre Schauspielkollegen mit Laura Dern, Timothee Chalamet, Emma Watson und mein Breakout Star 2019, Florence Pugh, sind ebenfalls sehr gut. Doch abseits vom Schauspiel ließ mich der Film kalt. Die für mich interessanten Aspekte der Geschichte, wie zum Beispiel die Rahmenhandlung um die Schwierigkeiten als Frau ein Buch zu veröffentlichen, blieben sehr oberflächlich und nur wenige Male in die Handlung integriert. Stattdessen dreht sich 80% der Spielzeit um so jeder-mit-jedem Liebesgedusel, der nichts Frisches zu erzählen hatte.

Negativ überrascht war ich auch von der teils verwirrenden Erzählstruktur Gerwigs, wodurch ich mehr als einmal für einen Augenblick den Faden verlor. Deswegen muss ich der negativen Resonanz bezüglich der nicht Nominierung Gerwigs in der Regiekategorie widersprechen, obwohl ich vorher sicher war, dass man damit recht hat, denn Gerwig ist super talentiert und Regisseurinnen sträflich unterrepräsentiert in Awardshows. Doch stattdessen wäre meine Wahl wenn dann eher auf Alma Ha’rel (Honey Boy) oder Lulu Wang (The Farewell) gefallen statt auf Gerwig.

Insgesamt gefiel mir ihre letzte Regiearbeit Lady Bird deutlich besser in allen Belangen und Little Women hätte ich von allen Kandidaten am ehesten austauschen können.

Marriage Story | Kritik / Review (Oscars 2020)

Storyanriss:

Regisseur Charlie (Adam Driver) und Schauspielerin Nicole (Scarlett Johansson) waren zehn Jahre lang das Traumpaar der New Yorker Theaterszene, haben sich mittlerweile aber kaum mehr etwas zu sagen – es ist Zeit für die Trennung. Nicole möchte zurück zu ihrer Familie nach Los Angeles ziehen und hat dort bereits eine Rolle in einer TV-Pilotfolge angenommen. Insbesondere ihrem kleinen Sohn Henry (Azhy Robertson) zuliebe wollen die beiden die Trennung friedlich über die Bühne bringen. Aber dann kommen doch Anwälte ins Spiel – und aus dem nett zurechtgelegten Konsens wird ein erbitterter Streit über die Frage, wo Henry in Zukunft leben soll.

Fazit:

In Marriage Story erzählt Noah Baumbach in einem Drama wie ein Ehepaar, das sich auseinandergelebt hat, scheiden lässt. Die beiden Eheleute spielen Adam Driver und Scarlett Johansson. Beide spielen dieses starke Script so gut, dass Netflix einen weiteren Award-Contender sein Eigen nennen kann.

Das Drehbuch ist faszinierend: denn eigentlich trennen sich hier zwei Menschen, die ja in erster Linie Liebe füreinander gespürt haben und trotz einer eigentlichen Einigung über eine schlammschlachtfreie Scheidung, womit jeder glücklich ist, wird beiden Protagonisten durch das Rechtssystem in Amerika und ihren beratenden Anwälten Stück für Stück die Kontrolle darüber unter den Fingern weggerissen.

Kleinigkeiten, die nichts über die Eignung als Elter aussagen, werden plötzlich aus dem Kontext gerissen und aufgebauscht um vor Gericht zu punkten und dabei immer mehr Grenzen überschritten. Unsere beiden Hauptfiguren lassen selbst in den ärgsten Streitgesprächen immer durchscheinen, dass sie doch eigentlich beide nur das Beste für Alle wollen und immer noch Liebe füreinander empfinden.

Manche Szenen sind als Zuschauer so schmerzhaft anzusehen, beispielsweise wenn eine Expertin bei Drivers Figur zu Hause ist, um zu überprüfen, ob er denn ein guter Vater sei. Auch die Nebendarsteller sind interessante Charaktere und gut in die Geschichte verwoben. Ob es Scarlett Johanssons Mutter ist, die eigentlich großer Fan ihres Schwiegersohns ist, oder ob es die drei Anwälte sind, die zwar alle das gleiche Ziel verfolgen, aber jeweils so unterschiedliche Ansätze verfolgen, so dass man keine Zuordnung in „Böse“ oder „Gut“ machen kann, sondern einfach auch dieses System hinterfragen muss, das im Prinzip nicht zulässt sich in „Würde“ scheiden zu lassen.

Marriage Story ist eine Überraschung dieses Jahr und Drehbuch sowie Hauptdarsteller gute Anwärter auf den Oscar.