Der seidene Faden | Kritik / Review (Oscars 2018)

Der seidene Faden | Kritik / Review (Oscars 2018)

(Trailer)

Vor knapp einem halben Jahr verkündete Daniel Day-Lewis (Lincoln), der sich mit Jack Nicholson (Einer flog über das Kuckucksnest) und Walter Brennan (Kentucky) den Rekord für die meisten männlichen Schauspiel-Oscars teilt, dass er mit nur 60 Jahren seine Schauspielkarriere beendet. Zugegeben hört man das nicht zum ersten Mal vom dreifachen Preisträger und Schauspiel-Virtuosen – hoffentlich folgt auch dieses Mal der Rücktritt vom Rücktritt.

Doch Künstler wäre nicht Künstler, wenn er nicht mit einem großen Auftritt abtreten würde und so kollaboriert er ein weiteres Mal mit Regisseur Paul Thomas Anderson (There will Be Blood) für Der seidene Faden / Phantom Thread. Neben Daniel Day-Lewis sind Vicky Krieps (Wer ist Hanna?) und Lesley Manville (Maleficient) zu sehen, die wie Day-Lewis eine Nominierung in der Darstellerkategorie bekommen hat.

Storyanriss:

London in den 1950er Jahren: Reynolds Woodcock (Daniel Day-Lewis) ist ein berühmter Damenschneider und begehrter Junggeselle. Gemeinsam mit seiner Schwester Cyril (Lesley Manville) steht er im Zentrum der britischen Modewelt, ihre Marke „The House of Woodcock“ wird vom Adel ebenso geschätzt wie von Filmstars und High-Society-Größen. In Liebesdingen hält sich Reynolds für verflucht und flüchtet sich von einer Affäre in die nächste. Doch dann tritt Alma (Vicky Krieps) in sein Leben, eine willensstarke Frau, die nicht nur seine Geliebte wird, sondern auch seine größte Inspiration. Aber Alma will nicht nur der Ton in den Händen des großen Künstlers sein, sie stellt Reynolds vor die Herausforderung, einen anderen Menschen mit einer starken Persönlichkeit an seiner Seite zu akzeptieren. Das sorgsam kontrollierte Leben des Designers droht aus den Fugen zu geraten.

Daniel Day-Lewis

I’ve given him what he desires most in return, every piece of me.

Fazit zu „Der seidene Faden“:

Daniel Day-Lewis ist für viele der Godfather des Schauspiels, der vor allem für sein Method Acting bekannt ist. Seine Akribie in Vorbereitung auf eine Rolle und während der Filmdrehs machen ihn aus. So hat er für Lincoln seinen Charakter des ehemaligen Präsidenten Abraham Lincoln über drei Monate nicht gebrochen. Spielberg, Cast und der Rest der Crew durften ihn nur als Mr. President ansprechen. Für Der letzte Mohikaner lernte er wie man selbst ein Kanu baut, ein altmodisches Gewehr benutzt, Fallen legt und Tiere häutet. Beim Dreh für Mein linker Fuß bestand er darauf permanent am Set in einem Rollstuhl zu sitzen und von seiner Crew gefüttert zu werden.

Wenig verwunderlich ist es also, dass er für Der seidene Faden natürlich auch selbst ein Balenciaga Dress eigenständig bis ins letzte Detail anfertigte. Zusätzlich forderte er von seiner Muse und Liebhaberin im Film, toll gespielt von Vicky Krieps, ihn zum ersten Mal in der Kennenlernszene des Films zu treffen, um so diesen besonderen Moment einzufangen – das hat dieser Szene eine neue Würze verliehen.

Die Ausstattung war bei einem Film mit dieser Thematik natürlich richtig stark. Die Kostümabteilung hat in Vorbereitung auf die Dreharbeiten mehr als 50 handgefertigte Kleiderstücke angefertigt. Unter anderem wurde, um möglichst authentisch zu sein, seltene flämische Spitze aus dem 17.Jahrhundert besorgt und im Film verarbeitet.

Das Schauspiel im Film war natürlich super. Daniel Day-Lewis kann man wie gewohnt als überragend beschreibend, da er nicht nur einen Charakter spielt, sondern zu ihm wird auf der Leinwand. Überrascht war ich von seinen Co-Darstellerinnen Vicky Krieps und Lesley Manville, die mir bis dato völlig unbekannt waren, aber auf demselben Level agierten.

Dennoch konnten die drei für mich nicht so recht über die sehr gemächliche, teils schleppende Erzählweise hinwegtrösten. Die Geschichte ist zwar perfekt in Szene gesetzt, konnte mich aber über weite Strecken nicht abholen. Ich hoffte insgeheim eigentlich auf eine Art „Das Parfüm“-Vibe, die mir Der seidene Faden dann doch schuldig blieb, auch wenn die bis dahin dokumentierte Geschichte über einen exzentrischen Virtuosen im letzten Drittel nochmal an einem interessanten Element gewinnt.

Die „Auflösung“ des Films und die Beziehungen der Charaktere bieten definitiv genügend Gesprächsstoff und das finde ich klasse. Trotz diesem Pluspunkt, der gewohnt guten Regiearbeit Paul Thomas Andersons und der hervorragenden Darsteller reicht mir das als Gesamtprodukt nicht für einen Sieg in der Kategorie „Bester Film“ – vor allem wenn Filme wie Ingrid Goes West, Blade Runner 2049, Good Times, Wind River oder The Big Sick dafür keine Nominierung bekommen haben.