The Irishman | Kritik / Review (Oscars 2020)

Storyanriss:

Frank Sheeran (Robert DeNiro) arbeitet viele Jahre als Geldeintreiber und Problemlöser für den Mafiaboss Russell Bufalino (Joe Pesci). Vor seiner Zeit als Gangster fuhr Frank den Wagen einer Fleischerei und kämpfte davor im Zweiten Weltkrieg unter anderem in Sizilien gegen die Achsenmächte, wo er auch die italienische Sprache erlernte, nicht wissend, dass diese seine Eintrittskarte in die Welt des organisierten Verbrechens sein sollte. Auf Empfehlung Russels stellt ihn der mit der Cosa Nostra verbandelte Gewerkschaftsführer Jimmy Hoffa (Al Pacino) als seinen Bodyguard ein. Zwischen den beiden Männern entwickelt sich erst Respekt, dann eine enge Freundschaft. Je mehr Jahre ins Land ziehen, desto höher steigt Frank auch in den Rängen der Mafia auf und desto grausamer werden die Verbrechen, die er verübt.

Fazit:

Nach Marriage Story ist The Irishman die zweite Netflixproduktion dieses Jahr, die auf große Awardjagd geht. Martin Scorsese, ein Altmeister des Regiefachs, eine Legende in Hollywood brachte uns viele tolle Filme – darunter große Gangsterepen wie GoodFellas und Casino.

Und dennoch wollte kein Studio sein neuestes Projekt The Irishman finanzieren, zu groß war das Risiko nach dem Kassengift Silence die benötigten 160+ Millionen letztlich wieder einzuspielen, doch welch glückliche Zeit für Filmschaffende rund um den Globus, dass Streaminggigant Netflix so zemlich egal ist, ob sie Geld einnehmen oder nicht. Mit vollen Händen wirft der Marktführer seit Jahren das Geld raus, um etliche Projekte zu finanzieren.

Die 200 Millionen Budget, investierte Scorsese vor allem in die Tricktechnik, seine Altstars digital zu verjüngen, damit sie ihre Rollen im Alter von 30, 50 und 70 spielen können. Abseits davon fragte ich mich aber schon, wo genau das ganze Geld hinfloss, denn auch wenn man sich das Who-is-Who der Gangsterfilme einkaufte, bezweifel ich gigantische Gagen für die drei Legenden. De Niro und Pacino haben in den letzten Jahren auch viele Quatschfilme mit deutlich weniger finanzieller Power gedreht und Joe Pesci war bereits im Schauspielruhestand und kam nur für seine Freunde wieder.

Und diese drei sind es auch, die für mich den größten Reiz an diesem Film ausgemacht haben. Man saugt einfach jede Minute mit ihnen auf und ich für meinen Teil war froh, im Jahr 2019 noch einmal einen solchen Film mit diesen Helden zu sehen unter der Leitung Scorseses. Vor allem Pacinos Rolle bringt so einige Highlights mit sich.

Dennoch muss ich auch ganz klar sagen, dass The Irishman meine gigantischen Hoffnungen, die sich über 1,5 Jahre zuvor aufbauten, nicht erfüllen konnte. Am Ende fehlte mir dann doch etwas an der Geschichte und wenn ich keinerlei Probleme damit hatte den 209 Minuten langen Film in mehreren Etappen mit Unterbrechungen zu schauen, dann sagt das entweder etwas über meine Aufmerksamkeitsspanne oder über Länge, Pacing und Spannung des Films aus.

The Irishman hat es trotz seiner guten Qualität nicht in meiner Top15 des letzten Jahres geschafft und ist auch nicht mein Favorit auf den Oscar als Bester Film.

Joker | Kritik / Review (Oscars 2020)

Storyanriss:

1981 in Gotham City: Arthur Fleck (Joaquin Phoenix) fristet ein trostloses Leben. Wenn er nicht gerade auf den Straßen von Gotham City als Clown verkleidet Werbeschilder für Schlussverkäufe herumwirbelt oder von jugendlichen Schlägern verprügelt wird, kümmert er sich zuhause um seine kranke Mutter Penny (Frances Conroy). Flecks Geisteskrankheit wird durch die ständigen Demütigungen immer schlimmer. Mittlerweile schluckt er sogar sieben Psychopharmaka gleichzeitig. Sein Leben nimmt eine dramatische Wendung, als er von seinem Kollegen Randall (Glenn Flesher) einen Revolver geschenkt bekommt. Trotz seiner instabilen psychischen Verfassung verfolgt Arthur seine Karriere als Stand-up-Comedian dennoch weiter und landet schließlich bei seinem großen Idol, dem Late-Night-Talker Murray Franklin (Robert DeNiro).

Fazit:

Der Joker gilt als einer der beliebtesten und besten Gegenspieler in der Popkultur. Stars wie Jack Nicholson, Heath Ledger und Mark Hamill haben ihn bereits porträtiert. Dieses Jahr bekam Joaquin Phoenix die Chance in die Oscar-prämierten Fußstapfen Heath Ledgers zu treten und unter der Regie von Hangover-Regisseur Todd Phillips den Clown Prince of Crime zu verkörpern. Unabhängig von der eigentlichen Qualität des Films, mussten sich die Beteiligten permanent erklären und sich den Vorwürfen stellen, dass ihr Film psychisch labilen Menschen als Auslöser dienen könnte für beispielsweise Amokläufe. Viele Kritiker haben den Film auch dafür abgestraft.

Ich finde diesen Versuch Kunstschaffenden vorzuschreiben was sie machen dürfen und was nicht immer schwierig. Labilen Menschen mit psychischen Problemen, könnten sich von alles und jedem getriggert fühlen. Sie könnten in eine Textzeile eines Katy Perry Songs mehr reininterpretieren oder ihre Probleme auf Allesmögliche projizieren. Deswegen nun alle Medien zu zensieren, weil sich irgendjemand angegriffen fühlen könnte, ist doch Quatsch. Vor allem wenn man ein gewaltiges Problem mit Waffengesetzen hat, das es vielleicht eher zu lösen gilt, doch das ist eine Diskussion für einen anderen Tag.

Denn Joker ist ein handwerklich ganz hervorragender Film geworden, der sich ganz offen bei den beiden Scorsese Filmen Taxi Driver und The King of Comedy bedient und nicht nur dem Hauptdarsteller beider Filme, Robert DeNiro, eine Schlüsselrolle in Joker gibt, sondern auch zunächst mit Martin Scorsese als Produzent plante. Und auch wenn das letztlich nicht zustande kam, merkt man seine Einflüsse an jeder Ecke. Gotham sieht noch mehr als je zuvor wie ein New York der 70er/80er aus, das Drehbuch bietet viele Parallelen zu seinen Werken und die Figur des Jokers wird nur durch seinen Namen zum Comicuniversum gezählt, weil sie auch genauso gut eine Scorsese Figur sein könnte.

Joaquin Phoenix dominiert diesen Film. Seine Performance macht den Film. Er geht wieder einmal vollends in seiner Rolle auf und hat sich ähnlich wie Christian Bale kurzerhand 23 Kilo für diese Rolle abgehungert. Dass dieses extreme Gewicht-Yo-Yo natürlich nicht gesund für den Körper ist, ist klar, aber ehrlich gesagt hat es seiner Rolle Arthur Fleck wirklich geholfen.

Dieser abgemagerte, krankanmutende Körper und die schlechte Körperhaltung tragen dazu bei, dass wir als Zuschauer gleichermaßen verängstigt sind als auch gewisse Sympathien für ihn empfinden, vor allem wenn er als Punchingball einer ganzen Gesellschaft und eines korrupten Systems herhalten muss, das die Schere zwischen arm und reich nur größer werden lässt. Figuren wie Arthur Fleck fressen in einer solchen Gesellschaft nur noch Scheiße und da sich jeder mal im Leben unfair behandelt oder zurückgelassen fühlt, erreicht das automatisch viele Zuschauer.

Für diese Rolle wie sie hier angelegt ist, braucht man einen starken Schauspieler und Joaquin Phoenix‘ Schauspiel ist ein weiteres Mal absolut brillant und die seit Release von Millionen Fans geforderte Oscarnominierung scheint mir mehr als verdient. Er ist der große Favorit auf die Auszeichnung in diesem Jahr.

Die Kombination aus grandiosen, wunderschönen Bildern einer dreckigen Stadt und Gesellschaft, sowie einem zur Bestform aufgelegten Joaquin Phoenix entwickeln mit jeder Minute eine stärkere, hypnotisierende Sogwirkung, die mit akzentuierten Gewaltspitzen zu einem Finale führt, das einen ganz speziellen Vibe hat und man auf einer Welle dieser Stimmung mitschwimmt. Mir hat Joker sehr gut gefallen und ich hoffe es gibt trotz der unfassbaren mehr als 1 Milliarde Dollar keine Fortsetzung.

Man lernt nie aus | Kritik / Review

THE INTERN(Trailer)

Nancy Meyers (Was das Herz begehrt; Was Frauen wollen) meldet sich mit Man lernt nie aus zurück auf dem Regiestuhl. Für ihre Hauptrollen hat sie sich mit den Oscargewinnern Anne Hathaway (Les Misérables) und Robert De Niro (Pate 2, Wie ein wilder Stier) ein interessantes Gespann ausgesucht, das bereits im Trailer den Eindruck eines sympathischen Duos vermittelt. Eigentlich waren mal Reese Witherspoon (Wild – Kritik hier) und Jack Nicholson (The Shining) für die Rollen von Ben Whittaker und Jules Ostin vorgesehen, bevor man den aktuellen Cast unter Vertrag nahm und ich muss sagen, dass ich die aktuelle Paarung deutlich besser finde. Von Man lernt nie aus habe ich mir eher ein Feelgood Movie wie Madame Mellory (Kritik hier) und Can a Song save Your Life (Kritik hier) aus dem letzten Jahr erwartet und keine schlechte Komödie wie den längsten Google-Werbespot der Welt prakti.com oder eine weitere Rom-Com. Doch ob meine Hoffnungen eingetreten sind, könnt ihr wie immer in meinem Fazit nachlesen.

Storyanriss:

Der 70-jährige Ben Whittaker (Robert De Niro) fühlt sich in seinem Ruhestand nicht sonderlich erfüllt, wird es doch nach mehreren Versuchen, neue Hobbys zu finden, doch zu einer immer größeren Herausforderung, seine freie Zeit sinnvoll zu gestalten. Daher ergreift er eines Tages die Chance, als Senior-Praktikant bei einer erfolgreichen Mode-Website anzufangen. Deren Gründerin und Chefin Jules Ostin (Anne Hathaway) staunt nicht schlecht, als der rüstige Neuzugang zu seinem ersten Tag antritt. Doch während der Rentner anfangs noch ein wenig belächelt wird, erfreut er sich dank seiner charmanten und warmherzigen Art bei seinen neuen Kollegen bald großer Beliebtheit. Und auch für Jules, die sich in ihrer noch immer ungewohnten Rolle als Geschäftsführerin häufig überfordert fühlt, wird Ben schnell zu einer wichtigen Stütze und einem guten Freund, auf den sie nicht mehr verzichten will.

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 Whittaker: Haben Sie noch einen Tipp bevor ich reingehe?

Becky: Blinzeln Sie, es macht sie wahnsinnig wenn Leute nicht Blinzeln!

Fazit:

Nancy Meyers neuster Film ist glücklicherweise keine weitere Rom-Com geworden, sondern eher ein Film über altersübergreifende Freundschaft, die auch schnell hätte plump und doof werden können, wenn man sich rein auf das Bedienen der typischen Generationen-Klischees beschränkt hätte. Robert De Niro und Anne Hatherway bringen eine Menge Spaß auf die Leinwand und haben eine gute Chemie zusammen. Generell ist eigentlich jeder Charakter in dem Film irgendwie sympathisch, was auch mal ganz angenehm ist im Vergleich zum typischen Filmstoff. De Niro ist ein wahrer Gentleman der alten Schule und stellenweise schon fast zu nett für die Welt.

Es gibt ein, zwei überflüssige Szenen im Film, die man auch getrost hätte weglassen können um Man lernt nie aus ein wenig zu straffen. Beispielsweise die „Laptop-Actionszene“ im zweiten Drittel des Films, die sich unnötig und fremd anfühlte. Darüber hinaus hatte ich jedoch eine gute Zeit mit dieser seichten Komödie. Nichts für die Ewigkeit aber ein netter Feel-Good-Zeitvertreib für Zwischendurch.

  • Film: 2,5/5
  • Empfehlung: Ja

Nightcrawler – Jede Nacht hat ihren Preis | Kritik / Review

nightcrawler blog1(Trailer)

Wir nähern uns langsam aber sicher dem Ende des Kalenderjahres und verschwenden den ein oder anderen Gedanken bereits mit der Weihnachtsplanung. Doch für Filmfreunde dürfte anhand der letzten Wochen schon eine Art vorweihnachtliche Bescherung eingesetzt haben, denn auch wenn bis zu den Oscars noch ein paar Monate verbleiben, befinden wir uns dennoch schon in der heißen Phase der Oscarvorbereitung. Da üblicherweise die heißesten Anwärter auf den Goldjungen möglichst gut im Gedächtnis bleiben sollen, liegt es nahe sie nicht bereits im März auf den Markt zu schmeißen, sondern eher zum Ende des Jahres. Dementsprechend konnten wir uns in den letzten Wochen schon über Gone Girl (Kritik – hier), Der Richter (Kritik – hier) oder auch Interstellar (Kritik – hier) freuen, die sich erste Hoffnungen auf eine Nominierung machen dürfen. Mit Nightcrawler startet ebenfalls diese Woche ein Film, dessen Hauptdarsteller Jake Gyllenhaal auch nachgesagt wird, Chancen auf eine Nominierung zu haben. Ob Jake Gyllenhaal (Enemy) und Regisseur Dan Gilroy (Writer: Das Bourne Vermächtnis) den Vorschusslorbeeren gerecht werden konnten, habe ich gestern für euch in Erfahrung gebracht.

Storyanriss:

Lou Bloom (Jake Gyllenhaal) hat seine ganz eigene Vorstellung vom American Dream – er ist überzeugt, dass die guten Dinge nur zu denen kommen, die sich ehrgeizig den Arsch abrackern. Seinem Motto nach kann man nur die Lotterie gewinnen, wenn man Geld für einen Lottoschein hat. Doch bei Lou will es mit dem Traumjob nicht so richtig klappen, weswegen er sich als Gauner mit kleinen Diebstählen über Wasser hält. Nach einer intensiven erfolglosen Jobsuche ist er so verzweifelt, dass er, bewaffnet mit einer Kamera, als freier Mitarbeiter Bilder von Unfällen, Verbrechen, Mord an einen lokalen TV-Sender verkauft. Nachdem seine Beiträge als Kameramann bei der Chefredakteurin Nina (Rene Russo) gut ankommen, stürzt er sich immer weiter in die Unterwelt von L.A. auf der Suche nach sensationellem und schonungslosem Bildmaterial, bei dem niemand wegsehen kann. Chaos und menschliches Leid werden in dem halsabschneiderischen Blut-und-Tränen-Business des „Nightcrawling“ in bare Münze umgerechnet. Angetrieben von einem verzweifelten Drang nach Anerkennung und Erfolg steigt Lou mit immer zwielichtigeren Methoden weiter in den Abgrund – und droht bald selbst als pikante Schlagzeile zu enden.

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Wenn man im Lotto gewinnen will, braucht man die Kohle für einen Lottoschein.

Fazit:

Geil! Nightcrawler darf und muss man einfach als geniale und zynische Mediensatire sehen, die mit einem überragenden Jake Gyllenhaal ein Ass im Ärmel hat, das so vorher wohl kaum jemand erwartet hätte. Lou Bloom ist nach langer Zeit mal wieder ein krasser Antiheld, der sich ohne Probleme mit Vincent (Tom Cruise, Collateral) oder Travis Bickle (Robert De Niro, Taxi Driver) messen kann. Jake Gyllenhall verkörpert eine ganz besondere Art des Amerikanischen Traums und ist in so vielen Szenen ein Sinnbild für eine schwungvoll ausgeführte Respektschelle in das Gesicht der Medienwelt. Nightcrawler ist eine düstere, spannende und bitterböse One-Man-Show, die mich definitiv überzeugen konnte. Klare Empfehlung von mir.

  • Film: 4/5
  • Kinoerlebnis: Aufwertung um +0,5
  • Empfehlung: Wenn euch „Drive“ gefallen hat, geht ins Kino und gebt diesem ungewöhnlichen Film eine Chance.