Bohemian Rhapsody | Kritik / Review (Oscars 2019)

Bohemian Rhapsody

Storyanriss:

Im Jahr 1970 gründen Freddie Mercury (Rami Malek) und seine Bandmitglieder Brian May (Gwilym Lee), Roger Taylor (Ben Hardy) und John Deacon (Joseph Mazzello) die Band Queen. Schnell feiern die vier Männer erste Erfolge und produzieren bald Hit um Hit, doch hinter der Fassade der Band sieht es weit weniger gut aus: Freddie Mercury, der mit bürgerlichem Namen Farrokh Bulsara heißt und aus dem heutigen Tansania stammt, kämpft mit seiner inneren Zerrissenheit und versucht, sich mit seiner Homosexualität zu arrangieren. Schließlich verlässt Mercury Queen um eine Solokarriere zu starten, doch muss schon bald erkennen, dass er ohne seine Mitstreiter aufgeschmissen ist. Obwohl er mittlerweile an AIDS erkrankt ist, gelingt es ihm, seine Bandmitglieder noch einmal zusammenzutrommeln und beim Live Aid einen der legendärsten Auftritte der Musikgeschichte hinzulegen.

Fazit:

Bohemian Rhapsody hat vor seiner Veröffentlichung vor allem Schlagzeilen gemacht, weil es mitten in der Produktion und den Dreharbeiten den Regisseur Bryan Singer verlor. Singer wurde zu diesem Zeitpunkt vorgeworfen vor einigen Jahren einen Jugendlichen sexuell missbraucht zu haben, doch öffentlich gaben sowohl Bryan Singer als auch das Studio die merkwürdige Begründung, dass er einfach nicht am Set erschien und deswegen gefeuert wurde. Singer hingegen bestreitet die Vorwürfe und behauptet er hätte sich um ein schwerkrankes Familienmitglied kümmern müssen. Es soll auch Probleme am Set mit Star Rami Malek gegeben haben. Was letztlich auch stimmen mag, Regisseur Dexter Fletscher – der uns bereits mit dem sehr guten Eddy the Eagle Biopic überzeugen konnte – hat übernommen.

Bohemian Rhapsody ist insgesamt eher ein Wohlfühlfilm geworden, der zwar die Probleme wie die HIV-Erkrankung oder die Probleme innerhalb Queens anspricht, aber auch nur anreißt. Letztlich geht um den Ikonenstatus Queens, ihre Erfolge und natürlich die beliebte Musik. Freddie Mercury wurde grandios von Rami Malek dargestellt. Neben Malek fand ich vor allem Lucy Boynton als die Liebe seines Lebens Mary Austin herausragend. Absolut faszinierend war die detailgetreue Nachbildung einiger Ereignisse. Das Finale, der Life Aid Auftritt in Wembley, war einfach fantastisch und garantiert Gänsehaut. Die Musik spielt neben Malek wohl die zweite Hauptrolle und war wenig überraschend geil.

Klare Empfehlung für Bohemian Rhapsody, der meiner Meinung nach alles hält was er verspricht und ein unterhaltsames Biopic ist. Rami Malek gilt als ein großer Favorit auf den Oscar in der Kategorie „Bester Hauptdarsteller„, doch könnte auf der Zielgeraden durch das Thema Bryan Singer noch einen Rückschlag erleben.

Meine Top 15 aus dem Jahr 2024

2024 – wieder ein Kinojahr das vieles zu bieten hatte: Von gigantischen finanziellen Flops wie Megalopolis zu finanziellen Hits wie Alles steht Kopf 2, der 1,7 Milliarden eingespielt hat. Von unendlichen Sequels wie Kung Fu Panda 4 oder Ich einfach unverbesserlich 4, zu Prequels wie Mufasa: The Lion King oder A Quiet Place: Day One. Von eigenständigen Kreationen wie Late Night with the Devil, über Adaptionen wie Wicked oder Zone of Interest, bis hin zu Reboots und Remakes altbekannter Stoffe wie The Crow. 2024 war facettenreich und dürfte für jeden Geschmack was dabei gehabt haben.

Ich habe dieses Jahr viele neue Veröffentlichungen gesehen im Kino oder auf Streamingservices wie Netflix, Amazon Prime oder Apple+ und habe für euch meine 15 liebsten Filme (Oscarbeiträge ausgeschlossen) zusammengetragen.

Knapp nicht in die Top15 haben es folgende honorable Mentions geschafft: Abigail, Anyone but you, A Quiet Place: Day One, Deadpool & Wolverine, Late Night with the Devil, Love lies Bleeding, Mean Girls, Smile 2, Spiders – Ihr Biss ist der Tod, The Heretic, Trap, Wicked Part 1, Woman of the Hour

#15 Alien: Romulus

Alien: Romulus spielt chronologisch zwischen Alien (1979) und Aliens – Die Rückkehr (1986) und kombiniert den Horror des Originals mit der Action des Sequels. Regisseur Fede Alvarez setzt auf atmosphärischen Science-Fiction-Horror, bei dem Set-Designs und Kreaturen beeindrucken. Die Crew bleibt weitgehend blass, doch Android Andy, gespielt von David Jonsson, sticht hervor. Seine moralische Ambivalenz ist zentral für den Film und sorgt mitunter für die stärksten Momente und spannendsten Konflikte.

Hauptdarstellerin Cailee Spaeny überzeugt als Actionheldin, erreicht jedoch nicht die Strahlkraft von Sigourney Weavers Ripley. Alien: Romulus verzichtet meistens auf plumpen Fanservice, obwohl er mit vertrauten visuellen Elementen und Settings an die Reihe anknüpft, bietet dafür aber düstere, ästhetisch hochwertige Bilder, die die Atmosphäre noch verdichten. Besonders ein spektakulärer Shootout in Schwerelosigkeit bleibt in Erinnerung.

Insgesamt setzt Alien: Romulus weniger auf tiefen Horror, sondern überzeugt vor allem durch Action. Der Film bietet eine respektvolle Erweiterung der Reihe, auch wenn er nicht deren Höhen erreicht.

#14 Arthur der Große

Nach dem furchtbaren The Family Plan aus dem letzten Jahr, arbeiten hier Mark Wahlberg und Regisseur Simon Cellan Jones erneut zusammen. Wer hätte gedacht, dass das sogar gut werden könnte, wenn das Drehbuch nicht völliger Müll ist? Bei Arthur der Große handelt es sich um eine Romanadaption, die wiederum auf wahre Begebenheiten im Leben des Extremsportlers Mikael Lindnord beruht.

Die Geschichte um dieses Sportlerteam, das nicht nur selbst auf dem 700km umfassenden Wettkampf zu einer Einheit heranwächst, sondern auch währenddessen einen Streuner namens Arthur aufnimmt, war für mich einfach so eine feelgood Story. Sie ist gut inszeniert, die Darsteller liefern ab, die Geschichte rührt einen und mehr braucht es manchmal nicht. Sicherlich wird hier das Rad nicht neu erfunden, aber manchmal benötigt man auch einfach Filme wie diese, die einen noch an das Gute im Menschen glauben lassen.

#13 Beetlejuice Beetlejuice

Tim Burtons Beetlejuice Beetlejuice liefert 105 Minuten vollgepackten Gruselspaß und bietet Fans des Kultklassikers von 1988 endlich mehr von allem: mehr Beetlejuice, mehr Jenseits und mehr handgemachte Effekte. Michael Keaton kehrt in seiner ikonischen Rolle als chaotischer Poltergeist zurück und begeistert mit schwarzem Humor und absurden Schabernack. Highlights für mich sind die Kostüme, die praktischen Effekte und Sets.

Das Aufeinandertreffen von Winona Ryder als Lydia und Jenna Ortega als Astrid, ihrer Tochter, verbindet Goth-Ikonen zweier Generationen. Dazu gesellt sich Catherine O’Hara, die als selbstverliebte Performance-Künstlerin eine urkomische Figur liefert und Beetlejuice fast die Show stiehlt.

Der Film bleibt humorvoll, verzichtet jedoch auf die grenzüberschreitenden Gags des Originals, um sich dem modernen Zeitgeist anzupassen. Während einige Figuren Tiefe vermissen lassen, ist Beetlejuice Beetlejuice ein typischer Burton-Film, der mit visueller Kreativität, nostalgischen Referenzen und unterhaltsamen Charakteren punktet. Fans der Reihe werden mit dieser temporeichen, effektvollen Fortsetzung bestens unterhalten. Ich bin zwar kein hardcore Beetlejuicefan aber dafür von Tim Burton und meiner Meinung nach findet er hier zu alter Stärke zurück und zeigt, dass er es noch immer drauf hat.

#12 Challengers

Luca Guadagninos Film Challengers – Rivalen ist ein intensives und stilistisch herausragendes Drama, das ein explosives Liebesdreieck zwischen Tennisprofis inszeniert. Durch die grandiose Kameraarbeit verschmelzen die sexuellen Spannungen und emotionalen Konflikte der Story zu einer elektrisierenden Dynamik. Guadagnino verleiht den Matches eine sinnliche Dimension, bei der jeder Ballwechsel metaphorisch als Ausdruck von Leidenschaft und Beziehungen verstanden werden kann.

Die drei Hauptdarsteller, allen voran Zendaya, tragen den Stoff mühelos und vereinen meiner Meinung nach gelungen Sinnlichkeit, Humor und Drama. Guadagnino beweist erneut wie gut er intime Beziehungen mit beeindruckenden Bildern verschmelzen kann.

#11 Planet der Affen: New Kingdom

Wie mittlerweile jedem Leser hier klar sein sollte, bin ich großer Fan der letzten „Planet der Affen“-Trilogie um den von Andy Serkis verkörperten Caesar. Technisch, optisch, schauspielerisch und emotional waren die Filme eine Wucht. Und auch wenn New Kingdom in allen Bereichen nicht ganz an das hohe Niveau der Vorgänger heranreicht, ist auch das neue Kapitel um den jungen Affen Noa beeindruckend.

Ein Aspekt, der mir in der nun hunderte Jahre später spielenden Geschichte besonders gefiel, war der Konflikt um „Caesars Erbe“. Wie viel ist in den Generationen nach ihm noch übrig von seinen Lehren? Haben die Affen die Lehren verzerrt, gar vergessen oder nutzen sie zu Radikalisierung? New Kingdom macht ein neues Kapitel in dem Franchise auf und macht trotz nicht ganz erreichter Höhen der Reihe, Lust auf mehr.

#10 Alles steht Kopf 2

Pixar hat mit Alles steht Kopf 2015 einen der besten Animationsfilme aller Zeiten geschaffen. Die Idee die Gefühlswelt des jungen Mädchens Riley als interaktive Kommandozentrale, in der die fünf Emotionen Freude, Traurigkeit, Wut, Ekel und Angst agieren, darzustellen, war und ist einfach bahnbrechend gut. Damals hob Pixar mit dieser innovativen Idee, dem tiefgründigen Humor und der emotionalen Tiefe die Messlatte wieder sehr hoch im Animationsgenre. Schon damals war allen klar – eine mögliche Fortsetzung muss einfach während der Pubertät der Hauptfigur Riley spielen und ich bin froh, dass man Pixar ebenso dachte.

Nun knapp 10 Jahre später bekommen wir die langersehnte Fortsetzung und auch wenn natürlich die Idee nicht mehr neu ist, gelingt es dem Studio wieder abzuliefern. Dadurch, dass die Funktionalität der Kommandozentrale bereits etabliert ist, hält sich der Film weniger mit Erklärungen auf und kann sich mehr auf die ereignisreichen Emotionsschwankungen der Pubertät konzentrieren. Pixar ergänzt hierbei die Hauptemotionen durch die Neulinge Zweifel, Neid, Peinlich und Ennui, die fortan Chaos stiften und die Kontrolle in Rileys Kopf übernehmen.

Alles steht Kopf 2 hangelt sich dabei an bekannten Strukturen des Originals entlang, trifft aber dennoch die emotionalen Momente zu jeder Zeit. Generell wird auch jeder Zuschauer sich wiederfinden können in den zahlreichen Gedankengängen und dargestellten Situationen die Riley durchlebt. Gerade auch die Inszenierung einer Panikattacke erhält viel Lob. Für mich ist Alles steht Kopf 2 ein gelungenes Sequel zu einem der besten Animationsfilme der Geschichte – auch wenn es dieses Jahr noch einen Animationsfilm gab, den ich ein stückweit besser fand. Finanziell hat der Film sich bereits die #1 des Jahres mit 1,7 Milliarden an den Kinokassen gesichert.

#9 Civil War

Alex Garlands Civil War ist ein düsteres, intensives Werk, das die Abgründe eines zukünftigen Bürgerkriegs in den USA auslotet. Inspiriert unter anderem von realen Ereignissen wie der Kapitol-Erstürmung 2021, kombiniert der Film hyperrealistische Darstellungen von Gewalt mit satirischen und genretypischen Elementen. Ich fand es gelungen, dass die Handlung einer Gruppe Journalisten folgt, die zwar als Chronisten des Konflikts agieren, aber sowohl mal als Verteidiger der Demokratie und mal als sensationshungrige Adrenalinjunkies dabei auftreten.

Gerade die Verbindung von Kirsten Dunst und Cailee Spaenys (gleich mit 2 Filmen in meiner Top15) Figuren, bilden hier das Rückgrat der Geschichte. Als Glücksgriff sollte sich auch die Verpflichtung von Kirsten Dunsts Ehemann Jesse Plemons herausstellen, der kurzfristig für einen anderen Schauspieler einsprang, der kurz vor den Dreharbeiten absagte und hier direkt mal für die intensivste Szene des Films sorgte.

Garland verzichtet über weite Strecken auf filmische Distanz und zeigt drastische Bilder wie Massenmorde, Folter und Selbstmordanschläge. Er zeigt wie Bilder Emotionen und Machtverhältnisse beeinflussen können.

Die dystopische Welt von Civil War wirkt beklemmend authentisch, was durch reale Dokumentaraufnahmen und glaubwürdige Inszenierungen verstärkt wird.

Civil War ist ein verstörender Film, der zugleich als politische Warnung über die Rolle von Medien und Gewalt dient. Für mich hätte er zwar noch ein wenig mehr wehtun können und gerne hätte ich noch mehr über die Fraktionen und neuen Machtverhältnisse erfahren, aber das wäre wohl schlicht nicht in der Kürze der Zeit möglich gewesen.

#8 Furiosa: A Mad Max Saga

Furiosa: A Mad Max Sagas größtes Problem ist, dass man ihn automatisch mit dem genialen, genrerevolutionierenden Mad Max: Fury Road vergleicht auch wenn das nicht immer ganz fair scheint. Im direkten Vergleich kann das Prequel zum 2015er Welthit nur verlieren, denn irgendwie kennt man natürlich den Bombast und hat sich auch an die Qualität gewöhnt so fies es auch klingen mag. Doch wenn man sich davon mal kurz löst, merkt man schnell, dass Furiosa: A Mad Max Saga immer noch mit 90% der anderen Action-Blockbuster den Boden aufwischt.

Die größte Kritik vieler an Fury Road war noch, dass der Film vergleichsweise wenig Geschichte hatte und als „größter U-Turn der Filmgeschichte“ beschrieben wurde. In Furiosa hat man jetzt genau das bekommen. Mehr Fleisch aufs Gerippe und weniger Action, was ab und zu bei der Lauflänge von 2,5h ein bisschen zäh wirken kann. Ich für meinen Teil war zwar insgesamt auch weniger geflasht als von einem Fury Road, aber nichtsdestotrotz hat Furiosa sehr viel Qualität zu bieten, egal ob im Worldbuilding, der Story, dem tollen Cast um Anya Taylor-Joy, Tom Burke und Chris Hemsworth oder auch den Action-Szenen. Ich habe den Film seit Veröffentlichung nun bereits mehrfach gesehen und für mich wurde er von Mal zu Mal besser. Er schafft es zwar nicht auf meine #1 des Jahres wie es Mad Max: Fury Road noch gelang im Jahr 2015, aber aus meiner Top15 lassen kann ich ihn auch nicht.

#7 Longlegs

Longlegs hatte vermutlich die beste Marketingkampagne des Jahres. Bewusst haben die Beteiligten die Spannung geschürt indem Sie den größten Namen des Films, Nicolas Cage, während der Werbekampagne nie gezeigt haben. Berichte wurden laut, wie gruselig und furchtbar Cages Transformation zum namensgebenden Longlegs wohl sei, aber es waren lange keine Bilder zu finden.

Auch Hauptdarstellerin Maika Monroe, berichtete, dass man Sie beim Filmdreh am Set bewusst von Cage fernhielt und Sie erst in der Szene zusammentreffen ließ, wie es auch im Film der Fall ist. Dabei hätte Monroes Herz wohl so laut gepocht, dass der Tonmann es hören konnte und man die Aufnahmen für das Marketing nutzte. Auch ihre erste Reaktion auf Cages Figur sei so wohl im fertigen Film gelandet. All das hat bei mir schon einen Hype ausgelöst, dass ich es kaum erwarten konnte Longlegs zu sehen. Regisseur Osgood Perkins erzeugt mit gezielter Bildsprache und minimalistischem Sounddesign ständige Bedrohlichkeit, selbst in scheinbar harmlosen Szenen. Maika Monroe brilliert als Agentin Lee Harker. Nicolas Cage liefert als Serienkiller eine unvergessliche Performance.

Longlegs überzeugt weniger durch klassische Horror-Elemente als durch die Symbiose aus Bild, Ton und Schauspiel. Die beklemmende Atmosphäre und die emotionale Intensität machen den Film so sehenswert. Im Endeffekt kam Longlegs für mich jetzt nicht an Klassiker wie Sieben oder Das Schweigen der Lämmer ran, aber spannend und weird war er dennoch zu hohem Maße.

#6 Die Unschuld

Als sich Saoris zehnjähriger Sohn Minato aus einem fahrenden Auto stürzt, wirft sein Verhalten eine Menge Fragen auf. Regisseur Hirokazu Koreeda beleuchtet im Film die Folgen und Gründe aus drei Blickwinkeln – der Mutter, des Lehrers und des Sohnes. Diese episodenhafte Erzählweise zeigt eindrücklich, wie voreilige Urteile unter Druck fatale Konsequenzen haben können.

Im letzten Drittel wechselt die Perspektive zu den Kindern, wodurch viele der vorherigen Ereignisse in neuem Licht erscheinen. Koreeda gelingt es hier die Geschichten auf Augenhöhe der Kinder zu erzählen. Die Darstellung der zarten Freundschaft zwischen zwei Kindern im Finale ist berührend, was vor allem auf das Schauspiel der herausragenden Kinderdarsteller Soya Kurokawa und Hinata Hiiragi zurückzuführen ist.

Themen wie gesellschaftliche Zwänge und die Vernachlässigung der Kinderperspektive werden intensiv beleuchtet. Der Film entfaltet eine Mischung aus emotionalem Drama und gesellschaftlichem Kommentar.

Erzählerisch fand ich diesen kleinen Film beeindruckend und durch die verschiedenen Sichtweisen spannend auch wenn man jetzt keinen Jahrhundertthriller oder ähnliches mit unfassbarem Twist erwarten sollte.

#5 Anora

Sean Baker, der sich in den letzten Jahren unter Cineasten mit seinen Filmen The Florida Project, Tangerine L.A. oder Red Rocket einen guten Ruf als Geheimtipp erarbeitet hat und bekannt dafür ist möglichst nah an seinen Milieustudien und Figuren dran zu sein und mitunter auf professionelle Schauspieler zu verzichten, ist auch dieses Jahr mit Anora wieder eine Mischung aus Drama, Satire und Sozialstudie gelungen, die mit Energie, Humor und einem Hauch Melancholie begeistert.

Auch in Anora geht es unter anderem wieder um das Leben eines Sexworkers mitsamt der positiven aber auch negativen Seiten. Während wir in der ersten Hälfte noch eine Art Cinderella-Story begleiten, können wir in der zweiten Hälfte mit ansehen, was passiert, wenn man bei Pretty Woman den Hollywood-Kitsch rausgelassen hätte. Trotz der überspitzten Dramaturgie der Handlung, gefiel mir vor allem der dreckige Realismus des Films und natürlich die mitreißende Performance von Hauptdarstellerin Mikey Madison (Scream V), die sich mit ihrer facettenreichen Darstellung der titelgebenden Anora nicht nur Chancen in der Award-Saison machen darf, sondern sich sicherlich auch für die nächsten Jahre die Projekte aussuchen kann.

#4 The Substance

Body-Horror, Drama, Satire, Gesellschaftskritik – das alles ist The Substance, einer der Geheimtipps dieses Jahr. Auch wenn der Schönheitswahn Hollywoods keine neue Erkenntnis ist, hat mir die Kritik daran – so wie man sie hier inszeniert hat – sehr gefallen.

Demi Moore zeigt hier nochmal, dass sie es doch noch draufhat und Margaret Qualley zementiert den Eindruck, dass man sie auch in den folgenden Jahren auf dem Schirm haben muss. Sehr gut haben mir auch die praktischen Effekte gefallen, die alles nahbarer und weniger künstlich gemacht haben.

Mehr will ich zum Film eigentlich nicht sagen, um nicht zu viel vorwegzunehmen. Einfach anschauen und Spaß haben.

#3 Konklave

Nach Edward Bergers oscarprämierten Oscarerfolg Im Westen nichts Neues, nimmt sich der deutsche Regisseur erneut einen Roman als Vorlage. Auch wenn Berger dieses Mal dem Ersten Weltkrieg den Rücken kehrt, ist sein Film nicht weniger spannend inszeniert.

Den Prozess einer Papstwahl im Vatikan hinter verschlossenen Türen hat viel vom Ränkespielchen eines Game of Thrones oder Die zwölf Geschworenen und gleichzeitig der Melodramatik einer Soap. Konklave spielt geschickt mit den Grenzen von Thriller, Politdrama und Satire. Es feiert das Überhöhte und das Pathos. Die Inszenierung betont den Konflikt zwischen Tradition und Moderne und überrascht immer wieder durch humorvolle und unkonventionelle Momente.

Immer wieder bricht Berger die vermutlich eingestaubten Vorstellungen einer solchen Konklave auf, wenn er zeigt, dass auch die konservativen Kardinäle beispielsweise Smartphones nutzen und Vapen. Die moderne Außenwelt hat auch in den abgeschotteten Vatikan Einzug gehalten. Zusammengehalten wird das spannende Drama von tollen darstellerischen Leistungen von unter anderem Ralph Fiennes oder Stanley Tucci.

Auch das durchaus kontroverse Ende hat mir gefallen und zum Nachdenken angeregt. Berger hat es wieder geschafft und wird vermutlich auch dieses Mal ein Wörtchen bei den Oscars mitsprechen.

#2 Der wilde Roboter

Chris Sanders’ Animationsfilm Der wilde Roboter, basierend auf Peter Browns Roman, kombiniert Ökologie, Humor und emotionale Tiefe zu einem charmanten Familienabenteuer. Vor allem die erste halbe Stunde des Films begeistert mit seinen rasanten Szenen und vor allem visuellem Humor.

Auch wenn der restliche Film nicht immer an die brillante Eröffnung herankommt, beleuchtet Der wilde Roboter auf emotionale, warmherzige und witzige Art und Weise unter anderem den Kreislauf der Natur. Für mich ist Der Wilde Roboter der beste Animationsfilm des Jahres auch wenn er natürlich nicht mit den Einspielergebnissen der großen Konkurrenz mithalten kann.

#1 Dune: Part Two

Denis Villeneuve hatte mit „Dune“ bereits bewiesen, dass der als „unverfilmbare Stoff“ als den man Frank Herberts Sci-Fi-Roman „Der Wüstenplanet“ jahrzehntelang betitelte, mit dem nötigen Kleingeld und einer klaren Vision umsetzbar ist. Seine Entscheidung den Roman in zwei Teilen zu adaptieren, um die umfangreiche Geschichte angemessen zu erzählen, ist insgesamt gesehen die richtige Entscheidung gewesen – auch wenn das natürlich bedeutete, dass der erste Film sich manchmal wie ein sehr hochwertiger Teaser anfühlte und den Zuschauer am Ende mit einem Cliffhanger und dem Wunsch nach der Fortsetzung dürstend zurückließ. Der zweite Teil endet zwar ebenfalls auf einem Cliffhanger, der Wunsch von Villeneuve einen dritten Film zu drehen ist allseits bekannt, jedoch ist die Geschichte nach diesen zwei Teilen soweit abgeschlossen, dass man deutlich zufriedener den Kinosaal verlässt und zur Not – falls niemals der dritte Film Dune: Messiah produziert werden sollte – eine weitestgehend runde, fertige Geschichte und zwei Filme hat.

Dune: Part Two taucht nun deutlich tiefer in die komplexe Handlung ein und übertrifft den Auftaktfilm in jeder Hinsicht. Storytechnisch geht es nahtlos weiter, wo der erste Teil aufhörte und wir begleiten Paul und seine Mutter Jessica, wie sie sich, jeder auf seine Art, den Gepflogenheiten der Fremen annehmen und in ihren Rängen aufsteigen. Diesem Teil der Geschichte wird die meiste Zeit eingeräumt und dabei auf so eine interessante Weise erzählt. Zugegeben: einen Messias- und Auserwählter-rettet-alle-Trope ist bei weitem nichts neues, aber so facettenreich und interessant habe ich ihn selten erlebt. Die Entwicklung die Timothee Chalamets, Rebecca Fergusons und Zendayas Charaktere durchmachen war fantastisch.

Dabei gelingt es Regisseur Villeneuve, Kameramann Greig Fraser und Komponist Hans Zimmer ein audiovisuelles Erlebnis zu schaffen, das mit beeindruckenden Bildern und eindringlichen Klängen immersiv ist und überwältigt. Die Szene als es darum geht einen Sandwurm zu bändigen ist aufregend und imposant inszeniert, hier merkt man, dass es alleine drei Monate Arbeit für diesen Moment benötigte. Für mich ist es aber vor allem das letzte Drittel des Films, das so viele epische Momente und Bilder erzeugte, so dass ich kaum noch aus dem Staunen kam. Hier entschied sich Villeneuve klar dafür auch mal Fünf gerade sein zu lassen und die Kraft der Bilder über eine 100%ige kohärente Logik zu stellen, aber im Gegensatz zu vielen mittelmäßigen Actionfilmen, kann man es hier akzeptieren, weil der Pay-Off, das was man dafür im Gegenzug bekommt, zum Besten gehört, was man bislang gesehen hat.

Dune: Part Two taucht auch tiefer in Themen wie Umwelt, Kolonialismus und Religion ein und führt auch eine Handvoll neuer Figuren ein, wie Christopher Walkens Imperator , Florence Pughs Prinzessin Irulan, Lea Seydoux‘ Lady Margot Fenring, Anya Taylor-Joys Alia oder Austin Butlers soziopathischen Mörder Feyd-Rautha, der zwar ein faszinierendes Charisma besitzt, aber wie alle neuen Figuren unterentwickelt bleibt und nur wenig Screentime bekommt. Viele Hintergrundinformationen zur Motivation der Charaktere gibt es also nicht – was ich mir zwar anders wünschen würde, aber noch so akzeptieren kann. Zumal das soweit ich gehört habe in den Büchern auch nicht immer besser gelöst sein soll.

Dafür bekommen wir ein genaues Bild der Fremen gezeichnet, die unabhängigen Krieger sind aufgeteilt in einen weitestgehend pragmatischen Stamm im Norden und einen eher fundamentalistischen Stamm im Süden, der nur zu gerne an die prophetische Geschichte eines rettenden Messias glauben möchte, der sie ins Paradies führt. Den ganzen Zwiespalt über Glaube und Pragmatismus sowie der Hoffnung aber auch Angst vor einem Messias lernt der Zuschauer vor allem durch Zendayas Chani kennen, die für mich das eindrücklichste Zitat des Films liefert.

Want to control people? Tell them a Messiah will come and they’ll wait.

– Chani (Zendaya) in Dune: Part Two

Während sie im ersten Film noch völlig nebensächlich war, wird sie im Verlauf des zweiten Films mit zunehmender Spielzeit immer mehr die Linse durch die wir Zuschauer das Geschehen wahrnehmen. Ihre zarte Liebesgeschichte mit Paul wird zurückhaltend, aber gefühlvoll erzählt, während beide mit Zweifeln, Ängsten und der Last auf ihren Schultern kämpfen. Herausragend verkörpert von Chalamet und Zendaya, die mit dieser Geschichte der zentrale Ankerpunkt des Films sind und ihn mühelos tragen.

Da ich euch nur Appetit auf den Film und ihn euch nicht in Gänze vorkauen möchte, belasse ich es hierbei und werde nicht weiter in Spoiler abdriften.

Dune: Part Two endet zwar mit einem Cliffhanger, der die Erwartungen an einen dritten Teil, „Dune Messiah“, steigert, doch rundet die Geschichte nach zwei Filmen weitestgehend ab. Villeneuve gelingt eine herausragende Fortführung des ersten Teils, die Science-Fiction-Kino auf höchstem Niveau bietet und mit phänomenalen Bildern, Soundtrack und Cast alles bietet, was das Filmherz begehrt.