Nomadland | Kritik / Review (Oscars 2021)

Storyanriss:

Fern (Frances McDormand) hat vor einiger Zeit ihren Mann verloren, aber dennoch ist sie in dem gemeinsamen Haus in Empire, Nevada wohnen geblieben. Nun allerdings hat die United States Gypsum Corporation, ein Baustoffhersteller und der einzige große Arbeitgeber der Kleinstadt, dichtgemacht und es gibt keine Jobs mehr. Nicht einmal eine Postleitzahl hat Empire mehr, weswegen Fern in ihrem kleinen Transporter lebt, durch die Vereinigten Staaten fährt und sich von Job zu Job treiben lässt. Sie besteht allerdings darauf, dass sie nicht obdachlos, sondern einfach nur hauslos ist. Fern könnte aufgrund ihrer Qualifikationen jederzeit wieder ein normales Leben führen, doch sie bevorzugt das Leben auf der Straße mit seiner Freiheit, den anderen Menschen und den vielen Bekanntschaften, die man irgendwann wieder trifft. So arbeitet sie etwa in einem Versandlager, bei der Ernte oder in einer Wohnwagensiedlung.

Fazit:

Regisseurin Chloe Zhao hat bereits mit ihrem letzten Film The Rider das Arthousekino begeistert und als Belohnung mit „Eternals“ direkt das krasse Gegenstück dazu übernehmen dürfen – einen gigantischen Marvel-Film. Doch trotz dieser Verantwortung schafft es Zhao scheinend spielend leicht noch kurz einen weiteren Festivalliebling dazwischen zu schieben. Mit Nomadland gewann die Filmemacherin bereits den Goldenen Löwen bei den Filmfestspielen in Venedig und gehört allein dadurch schon zu den Favoriten.

Nomadland ist ein ruhiges, unaufgeregtes Portrait einer Parallelgesellschaft, die so beispielsweise in den USA existiert, aber vermutlich die wenigsten kennen: den Arbeitsnomaden, die in ihren Autos leben und von Ort zu Ort und Aushilfsjob zu Aushilfsjob ziehen. Was vielleicht auf den ersten Blick nicht sonderlich spannend wirkt, stellte sich letztendlich aber als sehr unterhaltsam für mich raus. Das lag zum einen daran, dass bis auf Oscargewinnerin Frances McDormand (Three Billboards Outside Ebbing Missouri) kaum echte Schauspieler dabei waren, sondern viele echte Nomaden, die ihre Geschichten teilten und sehr authentisch wirkten. Zum anderen fand ich es auch ungemein erfrischend und schön, dass diese Parallelgesellschaft, die oftmals durch schwere Schicksalsschläge diesen speziellen Lifestyle wählte, so inklusiv, uneitel, und hilfsbereit ist.

Es gibt sogar Bootcamps für Einsteigernomaden, die beigebracht bekommen wie Sie auf der Straße alleine klarkommen, angefangen von einem geplatzten Reifen bis hin zur richtigen Größe des Scheißeimers. Jeder hilft jedem in dieser Gesellschaft. „Man sieht sich immer zweimal im Leben“ scheint gerade unter den Arbeitsnomaden Realität zu sein und so bekommt man along the road fast immer die Möglichkeit sich für die einst entgegengebrachte Hilfsbereitschaft und Nächstenliebe zu revanchieren.

Diese Geschichte fängt Nomadland mit poetischen, bildgewaltigen Aufnahmen ein – begleitet von einem stimmungsvollen Score durch Ludovico Einaudi. Mir hat Nomadland sehr gut und sogar ein Stück weit besser gefallen als The Rider.

Nomadland gehört dieses Jahr denke ich zu den Filmen, die immer ein Wörtchen mitzureden haben bei der Verleihung der Oscars. Egal ob es beispielsweise die Regie und das Drehbuch von Chloe Zhao sind oder die authentische, uneitle Performance von Frances McDormand – zum Favoritenkreis zähle ich sie allesamt. Nomadland hat auch das größte Momentum um morgen zum Besten Film gekürt zu werden.

The Father | Kritik / Review (Oscars 2021)

Storyanriss:

Der unabhängige Anthony (Anthony Hopkins) lehnt auch im Alter und zunehmend von Demenz geplagt jegliche Hilfe von seiner Tochter Anne (Olivia Colman) ab. Diese Hilfe wird aber unabdingbar, als Anne beschließt, mit ihrem Mann Paul (Rufus Sewell) nach Paris zu ziehen, und Anthony somit allein in der Wohnung zurückbleiben müsste, in der Anne und Paul mit ihm leben. Dass das nicht funktionieren wird, wird schon daran deutlich, dass Anthony immer wieder sehr durcheinanderkommt. Die Pflegerin Laura (Imogen Poots) soll Anthony helfen, doch auch wenn er sich anfangs charmant gibt: Er hat bereits zuvor andere Pflegerinnen mit seinen Stimmungsschwankungen vergrault.

Fazit:

Ich hätte nie gedacht, dass bei einem Film mit dieser Thematik einmal zu sagen, aber: was für ein Mindfuck. Das was der französische Regisseur Florian Zeller in seinem Regiedebüt und aus seinem bereits erfolgreichen Theaterstück The Father hier auf die Leinwand zaubert, ist ein Mindfuck. Er verlangt mit seiner besonderen Inszenierung dem Zuschauer einiges ab, aber hebt damit The Father auch von anderen Filmen, die das Thema Demenz behandeln wie Still Alice, ab.

Ähnlich wie es Sound of Metal mit der Wahrnehmung der Geräusche machte und dich als Zuschauer teilnehmen lassen hat, wie jemand der sein Gehör zu verlieren scheint seine Umgebung wahrnimmt, so geht Florian Zeller das Thema Demenz an. Der Film wird quasi aus der Perspektive von Anthony Hopkins erzählt, dessen Alltag immer mehr von seiner Demenz geprägt wird und zwischen klaren Momenten auch stetig wachsende Verwirrung erlebt sowie Zeitlinien, Namen, Ereignisse und Personen durcheinanderbringt. Während für ihn alles logisch erscheint und die Probleme bei seinen Mitmenschen liegen müssen, bekommen wir als Zuschauer am eigenen Leib zu spüren, wie in etwa es sein muss für einen Demenzkranken und kommen selbst durcheinander.

Glücklicherweise hatte ich privat noch mit keiner Person zu tun, die an Demenz litt, aber dennoch hat mich dieses Thema und dieser Film mitunter sehr berührt und das Leid für alle Beteiligten aufgezeigt. Ich denke, wenn man im eigenen Leben mit einer dementen Person zu tun hatte, wird The Father besonders betroffen machen. Diese klaren Momente auf der einen Seite, wo Anthony aufzeigt wie charmant er sein kann und dann auf der anderen Seite die krassen Gemütsschwankungen, die ihn zum absolut unausstehlichen Arschloch machen, das keine Gefangenen macht.

Diese Ambivalenz, diese Verletzlichkeit, all diese Nuancen in der Performance meistert Anthony Hopkins überragend. Mit Olivia Colman bekommt Hopkins nicht nur eine Schauspielerin an die Seite, die selbst vor zwei Jahren einen Oscar (The Favourite) gewann, sondern auch ebenbürtig aufspielt und Hopkins mit seinen 83 Jahren wirklich alles abverlangt. Allein die letzten Szenen des Films sind einfach so wahnsinnig gut und so vielseitig, wenn man dann noch die vorangegangenen 80 Minuten betrachtet, bleibt mir nichts anderes übrig als die Daumen für Hopkins zu drücken bei der Preisverleihung – auch wenn er nicht der Favorit ist.

Soll er nach 30 Jahren (Das Schweigen der Lämmer) und zahlreichen – zuletzt für The Two Popes im letzten Jahr – Nominierungen doch bitte nochmal mit dem Oscar ausgezeichnet werden. Florian Zellers The Father ist ein aufwühlendes Kammerspiel mit herausragenden schauspielerischen Leistungen und einer famosen Inszenierung. Für 6 Oscars nominiert, denke ich vor allem, dass Hopkins große Chancen haben wird in der Nacht zum Montag.