Maestro | Kritik / Review (Oscars 2024)

Storyanriss:

Der 28-jährige Jungkomponist Leonard Bernstein (Bradley Cooper) lernt Felicia Montealegre (Carey Mulligan) auf einer Party kennen. Die grazile und interessante Frau verzaubert fortan sein Leben. Monat für Monat wächst die Zuneigung zueinander, doch eigentlich trägt Bernstein ein tiefes Geheimnis mit sich herum. Erst nachdem beide geheiratet haben, kommt Felicia dahinter, dass ihr Ehemann homosexuell ist und diese Sehnsüchte heimlich auslebt. Um ihren Mann, der inzwischen als einer der größten Komponisten und Dirigenten aller Zeiten gilt, aber auch die drei Kinder nicht zu belasten, behält sie das Geheimnis für sich. Die einsamen Nächte und die Vertiefung ihres Mannes in die Musik verlangt ihr jedoch alles ab. Ihre Beziehung, in der bald schon beide außerehelichen Affären haben, wird dadurch immer wieder auf die Probe gestellt, bis Felicia, aber auch Leonard nach und nach daran zugrunde gehen.

Fazit:

Maestro ist ein langersehntes Biopic über den legendären Dirigenten Leonard Bernstein, der unter anderem für das Musical West Side Story verantwortlich ist. Kein Wunder also, dass ursprünglich Steven Spielberg das Projekt leiten wollte, wo er doch gerade erst das Remake des Musicals inszenierte. Nachdem Spielberg Bradley Coopers Regiedebüt „A Star Is Born“ gesehen hatte und beeindruckt war, überließ er die Regie Cooper selbst. Der Netflix-Film konzentriert sich auf die verschiedenen Stationen in Bernsteins Leben, wobei seine Frau Felicia als eigentliche Attraktion herausragt, vor allem durch die starke Leistung von Carey Mulligan.

Die Inszenierung des Films ist gewohnt kompetent und beeindruckt zuweilen mit visuellen und auditiven Effekten, die die verschiedenen Epochen im Leben des Paares gut einfangen. Trotzdem leidet der Film unter einigen Längen, vor allem im Mittelteil, die fast allein durch Mulligans herausragende Leistung ausgeglichen werden und den Film am Leben erhalten. Inhaltlich fokussierte sich Maestro meiner Meinung nach zu wenig auf Bernsteins Werk und Schaffen und viel zu viel auf seine homosexuellen Neigungen und Affären. Ich hätte gerne mehr über seine Kunst erfahren. Insgesamt ist Maestro zwar ein solides Biopic mit einer herausragenden Performance von Mulligan, aber alles in allem recht enttäuschend. Kein Film unter den Nominierten der Kategorie „Bester Film“ hat mich so kalt gelassen, obwohl ich mich echt drauf freute. Ein Tár, der durchaus die ein oder andere Parallele aufweist, war letztes Jahr besser.

Für die Oscars Sonntagnacht sehe ich trotz 7 Nominierung, unter anderem in den wichtigsten Kategorien des Abends, kaum ernsthafte Chancen. Der Film hat eigentlich 0 Buzz als dass er auf den letzten Metern für einen Überraschungssieg sorgen könnte. Bestes Make-Up und beste Frisuren könnte noch am ehesten gewonnen werden.

Barbie | Kritik / Review (Oscars 2024)

Storyanriss:

In Barbieland ist alles an seinem Platz. Die Frisur sitzt, die Kleidung und jedes Accessoire passen zueinander. Es ist eine perfekte Welt, zumindest äußerlich. Wer hier leben will, muss sich nämlich ausnahmslos an die aufgestellten Normen halten. So auch die stereotypische Barbie (Margot Robbie), eine der einflussreichsten Barbies im Land, die vom platinblonden Schönling Ken (Ryan Gosling) angehimmelt wird. Doch irgendetwas stimmt in letzter Zeit nicht, denn Barbie beschleichen immer wieder Gedanken an den Tod. Ein absolutes No-Go im Barbieland, wo jeder Tag doch einfach nur perfekt sein sollte. Ihre einzige Hoffnung ist der Aufbruch in die reale Welt, wo Barbie und Ken kaum angekommen, feststellen müssen, dass dort andere Regeln als im Barbieland gelten.

Fazit:

Barbie – nicht nur Greta Gerwigs erfolgreichster Film, es war der erfolgreichste Film 2023 und hat zusammen mit Oppenheimer das Phänomen des Jahres „Barbenheimer“ geschaffen, das für viel Buzz in den Sozialen Netzwerken sorgte und letztlich dem Kino sehr gut tat. Beide Filme waren finanziell nicht nur sehr erfolgreich, sondern haben das Publikum auch jeder auf seine Weise inhaltlich berührt. Für mich persönlich ist Barbie ein schwieriger Fall, denn ich liebe zwar das Talent, das da vor und hinter der Kamera steht. Gosling und Robbie sind perfekt gewählt für ihre Rollen, das Autoren/Regisseur-Pärchen Greta Gerwig und Noah Baumbach sind top Schreiber und Regisseure. Auch die vielen gebauten Sets und die Ausstattung sind ein Pluspunkt. Doch letztendlich hat mich Barbie kalt gelassen.

Hier und da ein paar Lacher und die ein oder andere smarte, kreative Idee sind gut, aber am Ende fühlt sich dennoch alles zu flach an. Die feministische Botschaft wird völlig on the nose, bevormundend und wenig filigran mit dem Vorschlaghammer eingebläut, so dass auch der letzte Hinterwälder-Redneck in der hintersten Reihe es rafft. America Ferreras Monolog – für den Sie nun auch für den Oscar nominiert wurde – ist da echt die Spitze der nicht vorhandenen Subtilität. Und vor allem wirkt Barbie trotz einiger kleiner Seitenhiebe wie ein Werbevideo und Image-Washing für Mattel, die doch gerade erst jahrzehntelang Geld mit Barbie verdient haben, die nicht gerade das gesundeste Frauenbild propagierte. Mittlerweile wird natürlich auch deutlich mehr die Vielfalt und die „Frauen-können-auch-Astronautin-oder-Präsidentin-sein-statt-nur-Blondchen“-Attitüde gelebt und natürlich entwickeln sich auch Firmen weiter, aber ein fader Beigeschmack bleibt da für mich trotzdem.

Letztlich kann man Barbie mal für eine kurzweilige Berieselung gutheißen, um Themen wie Feminismus, Selbstwahrnehmung, Akzeptanz und die Rolle der Frau in der Gesellschaft zu behandeln, greife ich dann doch auf andere Filme zurück. Vielleicht ja den unausweichlichen zweiten Teil.

Zu einer Barbie passt sicherlich auch der Goldjunge Oscar. Acht Möglichkeiten bieten sich dem Team rund um Greta Gerwig und Margo Robbie – auch wenn beide selbst nicht für Beste Regie oder Beste Hauptdarstellerin nominiert wurden. Definitiv gewinnen wird man den Besten Song, wo sich gleich zwei Barbie-Songs um die Krone streiten – auch wenn es vermutlich Billie Eilish und ihr Bruder sein werden, die die Trophäe letztlich mitnehmen. Bei den Crafting-Kategorien sehe ich Poor Things vorne und Ryan Gosling mag zwar noch am ehesten die Chance auf einen Upset gegen Robert Downey Jr. haben, aber darauf wetten würde ich nicht.

The Zone of Interest | Kritik / Review (Oscars 2024)

Storyanriss:

Hedwig Höß (Sandra Hüller) heißt ihre Mutter willkommen. Es ist deren erster Besuch in der stuckverzierten Villa, in der Hedwig zusammen mit ihren Kindern und ihrem Mann Rudolf (Christian Friedel) lebt. Die Sonne scheint, der Garten ist gepflegt, die Blumen blühen, der Hund lässt sich von seiner Nase durch das Grün treiben, Gemüse und Kräuter gedeihen, die Sonnenblumen stehen übermannshoch, die Kinder planschen im Wasser. Die Familie Höß scheint in einer Bilderbuchidylle zu leben. Nur abseits der Grundstücksmauern wird klar, dass hier – am Rande des Vernichtungslagers Auschwitz – die Hölle auf Erden ist.

Fazit:

Die Geschichte wird aus der Perspektive der Täter erzählt, wobei die Alltagsroutine der Familie mit den Schrecken des Holocausts kontrastiert wird. Jonathan Glazer verwendet experimentelle Elemente und fokussiert sich auf die Banalität des Bösen, während der Zuschauer gezwungen wird, zwischen dem Alltäglichen und dem Grauen zu jonglieren. Der Film provoziert und hinterfragt die Fähigkeit des Publikums, die Schrecken zu verdrängen, und präsentiert eine eindringliche Darstellung der historischen Ereignisse.

Die scheinbar alltäglichen Gespräche und Aktivitäten der Familie werden mit verstörenden Elementen des Holocaust begleitet. So freut sich Hedwig, dass man sie die „Königin von Ausschwitz“ nennt, während man subtil im Hintergrund die Züge mit „Nachschub“ für das KZ hören kann. Genauso beiläufig fragen sich Hedwig und ihre Mutter, ob nicht vielleicht auch die alte Bekannte, für die man früher noch gearbeitet hat, nicht eventuell jetzt auf der anderen Seite der Mauer stünde, bis man sich wieder im nächsten Augenblick Hedwigs Aufstieg in der Gesellschaft und ihrem Blumenbeet widmet.

Glazer zeigt den Schrecken des KZs durch subtile Klänge und visuelle Hinweise, während die Familie versucht, ein normales Leben zu führen. Durch diese Darstellung der „Banalität des Bösen“ provoziert Glazer das Publikum, sich mit dem omnipräsenten Schrecken auseinanderzusetzen. Da ist dann halt mal für den Kommandanten des Konzentrationslagers Rudolf Höß die wichtigste Frage des Tages wie man die Büsche im Camp pflegen muss, damit sie „allen“ Freude bringen. Brutal ist auch wie er am Telefon seiner Frau gesteht, dass er die Nazi-Feierlichkeiten und die Party gar nicht um sich herum genießen konnte, weil er so eingenommen war von der Frage wie man die neue Welle an ungarischen Juden überhaupt am effektivsten umbringt oder welchen Ofen man für das Krematorium benötigt.

The Zone Of Interest“ ist ein intensiver und schockierender Film, der die Grausamkeit des Holocaust auf eindringliche Weise zeigt ohne wirklich viel zu zeigen. Darüber hinaus stellt er vielleicht den interessantesten Tipp des Abends dar, denn er ist zwar „nur“ für 5 Oscars nominiert, aber könnte am Ende – wenn die Sterne richtig stehen – für Überraschungen sorgen.

Preise in der Kategorie „Bester Ton“ und vor allem „Bester internationaler Film“ gelten als fast sicher. Gerade der Sieg in der letzteren Kategorie wird aber auch häufig als „Trostpreis“ für das internationale Kino gesehen, damit dann in der wichtigsten Kategorie „Bester Film“ doch ein Hollywood-Film siegen kann. Und auch wenn Oppenheimer vermutlich seiner Favoritenrolle gerecht werden wird, sollte man die Augen offen halten für einen Upset.

American Fiction | Kritik / Review (Oscars 2024)

Storyanriss:

Monk (Jeffrey Wright) ist ein frustrierter Schriftsteller, der es satt hat, dass sich das Establishment von Schwarzer Unterhaltung auf müde und beleidigende Klischees stützt. Um seinen Standpunkt zu beweisen, schreibt Monk unter einem Pseudonym ein ausgefallenes Schwarzes Buch, ein Buch, das ihn ins Herz der Heuchelei und des Wahnsinns treibt, den er angeblich verachtet.

Fazit:

American Fiction ist ein intelligenter, vielschichtiger Film, der subtil die Themen Schwarzer Kunst und kultureller Vorurteile behandelt. Er erzählt die Geschichte eines frustrierten Schwarzen Autors, dessen anspruchsvolle Werke wenig Beachtung finden, während die Konkurrenz mit so stereotypischen Ghettoklischees Megaerfolge feiert, weil gerade die Weiße Bevölkerung vor allem diese Werke pusht, um das eigene Gewissen zu beruhigen und zu demonstrieren wie divers man doch ist. Der Film ist eine interessante Satire, die sich mutig gesellschaftlichen Themen stellt. American Fiction ist authentisch und bietet ein breites Spektrum an Witz und Niveau, ohne in Kitsch oder Pathos zu verfallen.

Das Ende hat mir persönlich nicht ganz so zugesagt und auch emotional hat mich der Film zu keinem Zeitpunkt so richtig abgeholt, doch alleine für die starken Darsteller wie Jeffrey Wright und Sterling K. Brown und den ein oder anderen grandiosen Moment, lohnt sich Cord Jeffersons Film. Eben jene Situationen, ich sage nur „Diskussion um den Buchtitel“ oder „Jury-Abstimmung“ sind so absurd komisch aber auch schmerzhaft, wenn man als Gesellschaft den Spiegel vorgehalten bekommt, dass sie mir eine Weile im Gedächtnis bleiben werden.

Im Oscar-Rennen rechne ich American Fiction maximal Chancen für die Kategorie „Bestes adaptiertes Drehbuch“ aus.

Poor Things | Kritik / Review (Oscars 2024)

Storyanriss:

Eine junge Frau namens Bella Baxter (Emma Stone) wird von dem unkonventionellen Wissenschaftler Dr. Godwin Baxter (Willem Dafoe) zurück ins Leben gebracht. Unter Führung des brillanten Wissenschaftlers begibt sich Bella auf eine Reise zu sich selbst, immer auf der Suche nach der Lebenserfahrung, die ihr bisher fehlt. Sie trifft dabei unter anderem auf Duncan Wedderburn (Mark Ruffalo), einen Anwalt, der ihr die Welt jenseits der Wissenschaft zeigt und mit ihr ein wildes Abenteuer über mehrere Kontinente hinweg erlebt. Bella entdeckt Stück für Stück ihre Leidenschaft für soziale Gerechtigkeit und Befreiung und kann sich so auch ihrer eigenen Zwänge entledigen, Vorurteile hinter sich lassen und sich immer und immer mehr ausleben.

Fazit:

Poor Things ist Yórgos Lánthimos‚ aufwendigste Produktion bisher, eine feministische Abwandlung von Frankensteins Braut. Der Film spielt in einer märchenhaften Steampunk-Welt und kombiniert trockenen Humor mit skurrilen Einfällen. Die teils pompösen Sets und Ausstattung sind klasse. Trotz des ernsten Themas ist der Film voller Sex und Nacktheit, was durch Bellas kindliche Art eine ironische Note erhält. Poor Things ist eine kunstvolle und intellektuelle Komödie, die die männlichen Figuren mit feministischer Botschaft fast schon lächerlich macht, während Emma Stones Performance besonders hervorsticht. Ihre Darstellung der neugierigen Bella, die mit einem kindlichen Gehirn im erwachsenen Körper die Welt mit naiver Offenheit erkundet, ist Weltklasse. Aber auch ein Mark Ruffalo ist mit dieser eher für ihn ungewöhnlichen Rolle phänomenal.

Poor Things ist mein persönliches Highlight unter den Nominierten, aber bleibt aufgrund seiner Laufzeit von fast 2,5h und seiner Inszenierung hauptsächlich ein Tipp für Cineasten. Poor Things kämpft in gleich 11 Kategorien um den Oscar dieses Jahr. Emma Stone als „Beste Hauptdarstellerin„, sowie in den Kategorien „Bestes Szenenbild„, „Bestes Kostümdesign“ sowie „Bestes Make-up und beste Frisuren“ kann man sich gute Chancen ausrechnen. Mit ein wenig Glück könnte auch noch hier und da ein Upset gegen den Favoriten Oppenheimer möglich sein.

Killers of the Flower Moon | Kritik / Review (Oscars 2024)

Storyanriss:

Die USA in den 1920er Jahren: Auf dem Gebiet der Osage Nation im Bundesstaat Oklahoma wurde jede Menge Öl gefunden, weswegen die dort lebenden indigenen Völker Nordamerikas zu großem Reichtum gelangt sind. Doch auch die Weißen Siedler haben es auf das schwarze Gold abgesehen, allen voran der einflussreiche Rancher William Hale (Robert De Niro) und dessen Neffe Ernest Burkhart (Leonardo DiCaprio), der mit der Osage Mollie (Lily Gladstone) verheiratet ist. Unter den Angehörigen des Osage-Stammes kommt es plötzlich zu immer mehr Todesfällen, die irgendwie im Zusammenhang mit den begehrten Ölbohrrechten zu stehen scheinen. Dies löst eine groß angelegte Untersuchung einer völlig neuen Polizeieinheit – dem FBI – aus. Tom White (Jesse Plemons), ehemaliger Texas Ranger und Gesetzeshüter alter Schule, leitet die Ermittlungen für die neue Bundesbehörde und stößt dabei in ein Wespennest aus Korruption und Mord.

Fazit:

Martin Scorsese stieß nach seinem Hit The Wolf of Wall Street mit Silence auf ein finanzielles Hindernis, was Fragen nach der Tragfähigkeit seines Kinos aufwarf. Streaming-Dienste wie Netflix und nun Apple TV+ ermöglichen ihm jedoch weiterhin ambitionierte Projekte wie Killers of the Flower Moon. Der Film basiert auf einem True-Crime-Bestseller über die Osage-Morde der 1920er Jahre. Ursprünglich für eine andere Rolle vorgesehen, übernahm DiCaprio schließlich die Hauptrolle, was auf eine Änderung der ursprünglichen Handlungsstruktur hindeutet. Statt die Geschichte als Whodunnit zu erzählen und den Cops zu folgen, erzählt Scorsese die Geschichte aus der Perspektive der Täter und taucht mit akribischer Ausstattung in die neureiche Welt der Osage ein und zeigt die Grausamkeit der weißen Landräuber, die mit Fehlen jeglichen Unrechtsbewusstseins schwerste Verbrechen begingen.

Killers of the Flower Moon ist definitiv nicht so leicht zugänglich und unterhaltsam wie ein The Wolf of Wall Street, die Laufzeit von 3,5h gar übertrieben. Logisch, dass das viele Leute abschreckt. Wie der Film 200 Millionen $ verschlungen hat, ist mir auch ein komplettes Rätsel – selbst eine Legende wie Scorsese könnte sich langsam mal wieder ein wenig bremsen. Dieses düstere Kapitel der amerikanischen Geschichte hätte sicherlich auch noch einen größeren Fokus auf die Perspektive der Osage legen können, ist aber trotz all der Kritik sehenswert, wenn auch für mich es nicht an Scorseses beste Werke rankommt. Dass ein Ensemble mit De Niro, DiCaprio und Plemons schauspielerisch auf Top-Niveau performen würde, kommt nicht überraschend – Breakthrough ist jedoch Lily Gladstone, die sich große Hoffnungen auf einen Oscar als „Beste Hauptdarstellerin“ machen darf. Darüber hinaus könnte Scorsese eventuell eine Überraschung schaffen im Rennen um die „Beste Regie„, ansonsten rechne ich dem Film nur wenig Chancen dieses Jahr aus.

The Holdovers | Kritik / Review (Oscars 2024)

Storyanriss:

Niemand mag den Lehrer Paul Hunham (Paul Giamatti) – weder seine Schüler noch seine Kollegen, noch der Schulleiter. Alle finden seine Aufgeblasenheit und Starrheit nervtötend. Da er keine Familie hat und in den Weihnachtsferien 1970 nirgendwo hingehen kann, bleibt Paul trotzdem in der Schule, um die Schüler zu beaufsichtigen, die nicht nach Hause fahren können. Nach ein paar Tagen ist nur noch ein Schüler übrig, ein 15-Jähriger namens Angus (Dominic Sessa), ein guter Schüler, der wegen seines schlechten Benehmens jedoch immer von der Schule zu fliegen droht. Zu Paul und Angus gesellt sich die Chefköchin Mary (Da’Vine Joy Randolph) – eine afroamerikanische Frau, die sich um die Söhne von Privilegierten kümmert und deren eigener Sohn kürzlich im Vietnamkrieg gefallen ist. Diese drei sehr unterschiedlichen Schiffbrüchigen bilden eine unwahrscheinliche Weihnachtsfamilie, die während zwei sehr verschneiten Wochen in Neuengland komische Missgeschicke erlebt.

Fazit:

The Holdovers von Alexander Payne spielt im verschneiten Dezember 1970 und versprüht so ein warmes Retro-Feeling, sowohl durch die Ausstattung als auch durch die musikalische Untermalung, so dass man direkt in so eine gemütliche Stimmung kommt. Genau genommen ist es sogar ein Weihnachtsfilm. Die Geschichte handelt von den tiefen emotionalen Wunden der Hauptfiguren und ihrer Annäherung zueinander während der Ferienzeit – die zunächst als Strafe beginnt, aber wie sollte es anders sein, letztlich doch vielleicht nicht so schlimm ist für die Protagonisten wie erwartet.

Trotz einiger vorhersehbarer Elemente bietet der Film eine berührende und humorvolle Coming-of-Age-Story, die von den beeindruckenden Darstellungen des Hauptdarsteller-Trios getragen wird. Gerade Dominic Tessa macht neugierig mit seiner starken Leistung, für die er gerade erst mit dem Independent Spirit Award für die Best Breakthrough Performance eine weitere Newcomer-Auszeichnung erhalten hat. Insgesamt ist The Holdovers eine gelungene Mischung aus Nachdenklichkeit und Leichtigkeit, die das Publikum auf eine emotionale Reise mitnimmt.

Im Oscar-Wettkampf dürfte Paul Giamatti noch die größten Chancen auf eine Überraschung in der Kategorie „Bester Hauptdarsteller“ haben. Giamatti, den ich seit Jahren durch seine Arbeit in Billions bewundere, hätte es sicherlich auch verdient – auch wenn Cillian Murphy der Favorit bleibt. Auch Giamattis Kollegin Da’Vine Joy Randolph kann schon mal eine Dankesrede vorbereiten, da sie zum engeren Favoritenkreis für die „Beste Nebendarstellerin“ gehört. In den letzten drei weiteren Kategorien für die The Holdovers ins Rennen geht, sehe ich noch die Möglichkeit auf einen Sieg für das „Beste Originaldrehbuch

Anatomie eines Falls | Kritik / Review (Oscars 2024)

Storyanriss:

Sandra (Sandra Hüller), Samuel (Swann Arlaud) und ihr elfjähriger sehbehinderter Sohn Daniel (Milo Machado Graner) leben seit einem Jahr weit weg von jeglicher Zivilisation in den Bergen. Eines Tages wird Samuel tot am Fuße ihres Hauses aufgefunden. Es wird eine Untersuchung wegen des verdächtigen Todes eingeleitet. Die Ermittler scheinen den Fall selbst zu einem schnellen Ende bringen zu wollen. Denn die Beweislast auf Sandra ist nicht gerade hoch, als die Staatsanwaltschaft Anklage gegen sie erhebt. Sandra selbst kämpft weiter mit dem Tod ihres Mannes: Hat er sich selbst umgebracht oder war es wirklich – wie von den Ermittlern vermutet – Mord? Es vergeht ein Jahr, bis die Verhandlung vor Gericht aufgenommen wird. Auch Daniel wird in den Zeugenstand gerufen. Die Beziehung zwischen Mutter und Sohn wird daraufhin auf eine harte Probe gestellt – vor allem durch die Staatsanwaltschaft, die damit beginnt, mit ihren Fragen die beiden brutal zu durchleuchten.

Fazit:

In dem Film Anatomie eines Falls von Justine Triet wird die Geschichte eines Mordes vor Gericht verhandelt, doch anders als erwartet, steht nicht nur die Aufklärung des Verbrechens im Mittelpunkt, sondern vielmehr die Themen von Wahrheit, Lügen und Selbsttäuschung sowie die Komplexität menschlicher Beziehungen. Trotz des gerichtlichen Rahmens des Films wird die Spannung durch zurückhaltende Inszenierung und Fokussierung auf die zugrunde liegenden Themen aufgebaut. Die Zuschauer werden dazu angeregt, ihre eigenen Schlüsse über die Wahrheit der Geschichte zu ziehen, wodurch der Film weit über das Genre des Gerichtsdramas hinausgeht. Mir hat dieser Ansatz sehr gefallen und das nuancierte Schauspiel von Hüller war die Kirsche auf der Torte. Immer wieder überrascht der Film mit Wendungen und kreiert Blickwinkel auf Situationen, die gerne mal die eigene Meinung ändern können. So ist beispielsweise die Hauptfigur, gespielt von Sandra Hüller, eine Autorin, deren persönliche Erfahrungen ihre literarische Arbeit beeinflussen und Erfolg brachten und plötzlich wird ihr genau das negativ ausgelegt als Parallelen zum Tod ihres Mannes gezogen werden können. Genauso wird es natürlich auf einmal schwierig Absprachen zwischen Ehepartnern – wie in diesem Fall seine Erlaubnis eine verworfene Idee seinerseits für ihr eigenes Buch zu nehmen – wenn nur noch ein Beteiligter lebt. Absolutes Highlight war für mich jedoch ein 15 minütiges Streitgespräch zwischen den Eheleuten, das unendlich gut geschrieben und dargestellt war.

Anatomie eines Falls ist ein sehr interessanter Film für die diesjährige Oscarverleihung. Da die Franzosen es vercheckt haben Anatomie eines Falls als ihren Beitrag für den Auslandsoscar einzureichen, geht The Zone of Interest in dieser Kategorie sehr wahrscheinlich mit dem Preis nach hause. Trotzdessen gelang es dem Film sogar in der wichtigsten Kategorie für den besten Film des Jahres nominiert zu werden – hier nun diesmal wirklich in Konkurrenz zu The Zone of Interest – beides Filme mit Sandra Hüller in der Hauptrolle, beide leider aber auch nur mit Außenseiterchancen gegen Oppenheimer. Auch Hüller selbst ist nominiert – doch könnte vielleicht durch ihre ebenfalls sehr gute Leistung in The Zone of Interest viele Voter unsicher machen. Sie hat neben Emma Stone für mich die beste Leistung des Jahres gebracht, wird aber kaum gewinnen können. Eine Nominierung für eine deutsche Schauspielerin ist nach vielen Jahrzehnten aber auch schon fast so geil wie ein Sieg. Gewinnen kann Anatomie eines Falls am ehesten im Rennen um das Beste Originaldrehbuch sowie den Besten Schnitt.

Past Lives | Kritik / Review (Oscars 2024)

Storyanriss:

Vor 24 Jahren verlies Nora (Greta Lee) als zwölf Jahre altes Mädchen mit ihren Eltern Korea und damit auch ihren Jugendfreund Hae Sung (Teo Yoo). Zwölf Jahre später fanden sich die beiden über das Internet wieder. Doch zu mehr als täglichen Nachrichten und stundenlangen Video-Calls kam es nie. Sie wollte ihre neue Heimat in New York, wo sie gerade als Dramatikerin erste Schritte wagte, nicht verlassen. Ihn zog es durch sein Maschinenbaustudium für ein Auslandssemester nach China und nicht in die USA. Doch nun kommt Hae Sung für eine Woche nach New York, wo Nora allerdings bereits seit sieben Jahren glücklich mit Arthur (John Magaro) verheiratet ist.

Fazit:

Past Lives von Celine Song ist ein tolles Regiedebüt, das vor allem dadurch begeistert, dass es so sympathisch authentisch und unaufgeregt ist. Es erinnert mitunter an Richard Linklaters Before-Trilogie, die wohl die beste Darstellung einer Beziehung für die Leinwand ist.

Der Film konzentriert sich auf drei Zeitpunkte, die jeweils zwölf Jahre auseinanderliegen und umfasst eine komplexe Dreiecksbeziehung. Past Lives behandelt die Authentizität von Gefühlen und funktioniert dabei so gar nicht wie ein typisches Hollywooddrehbuch. Trotz des Verzichts auf übergroße Gesten werden berührende Momente geschaffen, darunter subtile Beobachtungen und Dialogszenen.

Past Lives ist ein erwachsenes und berührendes Romantikdrama ohne viel Aufregung, das als Geheimtipp in der zweiten Jahreshälfte 2023 es zu zwei Nominierungen in der Kategorie Bester Film und Bestes Originaldrehbuch geschafft hat. In beiden Fällen dürfte das subtile Drama wahrscheinlich leer ausgehen, dennoch sollte man das als Achtungserfolg verbuchen und lenkt am Ende mehr Menschen und Aufmerksamkeit auf diesen tollen Film.

Oppenheimer | Kritik / Review (Oscars 2024)

Storyanriss:

In einer Anhörung über seinen Widerspruch gegen die Entziehung seiner Sicherheitsfreigabe blickt der Physiker Julius Robert Oppenheimer (Cillian Murphy) zurück: Auf seine Anfänge, sein Privatleben und vor allem auf die Zeit, als ihm während des Zweiten Weltkriegs die wissenschaftliche Leitung des Manhattan-Projekts übertragen wird. Im Los Alamos National Laboratory in New Mexico sollen er und sein Team unter der Aufsicht von Lt. Leslie Groves (Matt Damon) eine Nuklearwaffe entwickeln. Oppenheimer wird zum „Vater der Atombombe“ ausgerufen, doch nachdem seine tödliche Erfindung folgenschwer in Hiroshima und Nagasaki eingesetzt wird, stürzt den gerade noch so jubelnden Oppenheimer in ernste Zweifel. In einer weiteren Anhörung soll Lewis Strauss (Robert Downey Jr.) als Handelsminister im Kabinett von Präsident Dwight D. Eisenhower bestätigt werden. Doch bald geht es um seine Beziehung zu Oppenheimer nach dem Krieg. Denn Strauss stand der amerikanischen Atomenergiebehörde vor, die von dem Physiker beraten wurde. Als sich Oppenheimer immer stärker gegen Strauss und ein Wettrüsten mit Russland stellt und für eine internationale Kontrolle der Kernenergie plädiert, kommen die alten Verbindungen des Physikers zum Kommunismus wieder zur Sprache.

Fazit:

Nach dem furchtbaren Tenet, meldet sich Nolan wieder zurück zu alter Stärke. Wie auch schon zu Dunkirk kann ich zu Christopher Nolans Oppenheimer sagen, dass ich prinzipiell eher an Nolan Stoffen interessiert bin, die nicht unbedingt eine Nacherzählung historischer Ereignisse und Figuren sind.

Nichtsdestotrotz habe ich mich auch auf Oppenheimer gefreut und muss sagen, dass auch wenn Barbie aus dem Barbenheimer-Phänomen als finanzieller Sieger hervorgegangen ist, Oppenheimer inhaltlich für mich die Nase vorne hat. Das verschachtelte Historiendrama über den Vater der Atombombe setzt auf eine altmodische Herangehensweise an visuelle Effekte. Die komplexe Erzählstruktur mit Rückblenden und Zeitsprüngen hat mir gut gefallen.

Trotz anfänglicher Ähnlichkeiten mit klassischen Biografien entwickelt sich der Film zu einem intensiven Erlebnis, das durch Nolans audiovisuelle Überwältigung und die eindringliche Hauptfigur, gespielt von Cillian Murphy, geprägt ist. Oppenheimer ist ein visuell beeindruckender Film, der sich im finalen Drittel zu einem monumentalen Kinorausch steigert und für mich stets die innere Zerrissenheit Oppenheimers gut rüberbringt. Neben Cillian Murphy, der erstmals die Hauptrolle in einem Nolan-Film verkörpert und sich große Hoffnungen auf den Oscar machen darf, ist der Cast bis in die kleinste Rolle mit tollen Schauspielern besetzt, wo niemand abstinkt. Gerade Emily BluntMatt Damon und Robert Downey Junior setzen immer wieder Highlights im Film.

Über die letzten Monaten hat sich Oppenheimer weitestgehend zum großen Favoriten für die Award-Saison etabliert – so auch für die Oscars. Insgesamt hat Nolans Biopic 13 Oscar-Nominierungen ergattern können, was dieses Jahr #1 bedeutet. In den Kategorien Bester Film, Bester Hauptdarsteller, Bester Nebendarsteller, Bester Schnitt, Beste Kamera und Beste Regie dürfen sich Oppenheimer respektive, Christopher Nolan, Cillian Murphy und Robert Downey Junior große Chancen auf den Platz an der Sonne machen.